Heimatkalender 1968| S.125-127 | Von Karl-Heinz Blum, Kyllburg
Mit dem Durchzug der deutschen Soldaten im Sommer des Jahres 1939 kam Kyllburg zum erstenmal mit dem Militär in Berührung. Zu dieser Zeit ahnte noch keiner, was einmal aus diesem Kriege entstehen würde; denn noch blieb unsere Heimat von dem Kampfgeschehen verschont. Der Frankreichfeldzug kostete zwei Kyllburger Soldaten das Leben. Nach dem “Blitzsieg” in Frankreich herrschte wieder einige Zeit Ruhe. Aber am 22. Juni 1941 gab Hitler den wahnsinnigen Befehl, Rußland anzugreifen.
Viele Kyllburger Männer erhielten einen Stellungsbefehl und mußten zu den Waffen. Die Folge war, daß Frauen und alte Menschen schwere Arbeit in der Landwirtschaft und in der Rüstungsindustrie verrichten mußten.
Für die meisten Frauen und Mütter begann nun die ständige Sorge um ihre Männer und Söhne, die an den Fronten kämpften. Die ganze Bevölkerung trauerte, wenn Gefallenenmeldungen Kyllburger Soldaten eintrafen.
In den Jahren 1940, 1941, 1942 erfolgten noch keine Luftangriffe. Aber schon 1941 und 1942 hörte man oft stundenlang das Brummen der starken Bomberverbände, die in den großen Städten ihre Ziele suchten.
Mehrmals kam es vor, daß deutsche Soldaten, die auf dem Marsch waren, von der Bevölkerung einquartiert werden mußten.
Was die Kyllburger Einwohner in große Aufregung und Angst versetzte, waren die häufigen Angriffe der Tiefflieger. Besonders bei gutem Flugwetter war die Gefahr durch sie sehr groß. Da sich in unserer Heimatstadt keine Flugabwehr befand, war es für die feindlichen Flugzeuge keine Schwierigkeit, insbesondere das Bahngelände und die Züge unter Beschuß zu nehmen.
An einem schönen, klaren Sommertage im Jahre 1943 griffen mehrere Jagdbomber einen Güterzug an, der den zwischen Kyllburg und St. Thomas liegenden Dechen-Tunnel noch zu erreichen versuchte. Da sich zu der gleichen Zeit aber schon ein Militärzug in diesem Tunnel befand, war der zweite Zug dem Bordwaffenbeschuß der Angreifer schutzlos preisgegeben. Für den Lokomotivführer, der sehr wahrscheinlich von dem Angriff überrascht wurde, bestand keine Fluchtmöglichkeit mehr; er wurde in seinem Führerstand durch Bordwaffen tödlich verwundet.
Wenige Wochen später wurden über Kyllburg mehrere kanadische Bomber von deutschen Jagdfliegern in Brand geschossen, so daß sich die Flugzeugbesatzungen mit Fallschirmen retten mußten. In der näheren Umgebung wurden sie dann nacheinander gefangen genommen. Einige der Besatzungsmitglieder waren durch die Folgen des Absprungs schwer verletzt.
Im September 1944 hatte der Vormarsch die amerikanischen Truppen bereits bis zur deutsch-luxemburgischen Grenze geführt. Zahlreiche Orte des Kreises Bitburg waren bedroht. Die Rundstedt-Offensive drängte die Amerikaner erneut zurück, brachte aber eine Verschlimmerung der Lage unseres Gebietes und auch Kyllburgs.
Am 19. Dezember 1944 zog ein leichter Verband von acht Jagdbombern die Kyll abwärts. Ihr Angriffsziel war ein Militärzug, der vor dem Kyllburger Bahnhof hielt. Durch Bombenabwürfe und Bordwaffenbeschuß wurde der Zug vollständig zerstört. Dieser Angriff kostete 60 Soldaten das Leben. Jener Fall erregte besonderes Aufsehen, da der Vorgesetzte der Soldaten zur Zeit des Angriffs in einem Kyllburger Hotel verweilte und den Soldaten verboten hatte, den Zug zu verlassen. Diese Katastrophe hätte vermieden werden können, wenn der leitende Offizier des Zuges auf den Rat des Bahnhofsvorstehers gehört hätte und den Zug in den nahegelegenen Tunnel hätte fahren lassen.
Die Bevölkerung hatte sich noch nicht von dem Schrecken des Angriffs erholt, als Kyllburg am 23. Dezember 1944 von einem schweren Angriff heimgesucht wurde. Gerade war die Luftschutzsirene verstummt, als ein starker Verband feindlicher Bomber angriff. Das Ziel der Flieger war ein Tanklager, das sich auf dem Marktplatz befand. Bei der Bombardierung des Tanklagers sanken eine Anzahl von Häusern in der Stiftstraße in Schutt und Asche. Diesen Angriff mußten 17 Angehörige der Zivilbevölkerung und viele Soldaten mit ihrem Leben bezahlen. Erst am folgenden Tage kamen schwere Flakgeschütze nach Kyllburg, die am oberen Ende der Bademer Straße aufgestellt wurden.
Aber bereits elf Tage später, am 2. Januar 1945, kurz nach 11 Uhr, war Kyllburg erneut Ziel eines schweren Luftangriffes. Die spätmittelalterliche St.-Maximin-Kirche erhielt einen Bombenvolltreffer. Auch der angrenzende Friedhof litt erheblichen Schaden. Viele Häuser wurden vollständig zerstört oder mehr oder weniger stark beschädigt. Insgesamt fanden zwölf Einwohner den Tod; von einer Familie starben allein sieben Personen. In den Trümmern des Bahnhofs wurde eine Anzahl von Soldaten getötet.
Von panischer Angst ergriffen, flüchtete die Bevölkerung in die verschiedenen Tunnel der näheren Umgebung Kyllburgs, die ihnen den wirksamsten Schutz vor Bombenangriffen boten. Da die Eisenbahnstrecke schon längere Zeit unterbrochen war, konnten die Familien hier behelfsmäßige Hütten errichten.
Am 27. Februar gegen 20 Uhr eröffneten die amerikanischen Streitkräfte, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen großen Teil des Kreises Bitburg besetzt hatten, ein starkes Artilleriefeuer gegen die Stadt Kyllburg. Mehrere Gebäude wurden durch Volltreffer ganz zerstört. Granatsplitter verursachten bei einigen Häusern hohen Sachschaden. In den Ruinen verlor eine Kyllburger Frau ihr Leben. Der Artilleriebeschuß währte noch bis zum 3. März.
Die wenigen Soldaten, die noch in Kyllburg waren, versuchten mit der Sprengung der Kyllbrücken den Vormarsch der alliierten Streitkräfte aufzuhalten.
Aber diese Bemühungen waren bereits zu spät. Am 4. März 1945, kurz nach elf Uhr, marschierten die ersten amerikanischen Truppen in Kyllburg ein. Da sich im Ort keine deutschen Soldaten mehr befanden, ging der Vormarsch der Amerikaner schon nach wenigen Stunden weiter.
Hiermit war der Krieg für die Kyllburger Bevölkerung zu Ende. Alle waren froh, nicht mehr den Gefahren des Krieges ausgesetzt zu sein, aber viele Menschen in anderen Teilen Deutschlands mußten ihr Leben noch für diesen sinnlosen Krieg opfern.
Ein besonders hartes Schicksal mußten die über fünfzig in Kyllburg lebenden Juden erleiden. Mit der Kristallnacht im Jahre 1930, in der auch die Kyllburger Synagoge in Flammen aufging, begann für die Juden in ganz Deutschland ein Leidensweg. Auch hier wurde die Bevölkerung von den Nationalsozialisten gegen die jüdischen Einwohner aufgehetzt. Mehrmals kam es zu Mißhandlungen an Juden. Nur einigen von ihnen gelang die rechtzeitige Flucht ins Ausland.
1942, auf dem Höhepunkt seiner Macht, befahl Hitler die schon 1939 angedrohte “Endlösung der Judenfrage”, die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa. Alle Juden, die noch in Kyllburg lebten, wurden zunächst von der SS verhaftet und in das Stallgebäude der Burg getrieben. Nach ein paar Tagen wurden die Halbverhungerten auf Lastwagen gezerrt und dann in Konzentrationslager verschleppt. Der Staat ließ das Vermögen der Juden beschlagnahmen und versteigern.
Das furchtbare Drama des zweiten Weltkrieges forderte von Kyllburg 96 Todesopfer (57 Soldaten und 39 Angehörige der Zivilbevölkerung), heute, 23 Jahre später, zählt man noch 21 Vermißte. Bombenabwürfe und Artilleriebeschuß hatten den Ort zu 35 Prozent zerstört. Ein würdiges Ehrenmal hat die Stadt Kyllburg auf dem historischen Stiftsberg für die Gefallenen, Vermißten und Ziviltoten der beiden Weltkriege errichten lassen.
In der Stadt findet sich kaum noch etwas von den Kriegsverwüstungen und Trümmern, da der Aufbauwille der Bürger tatkräftig vieles wieder hat entstehen lassen. Die zerstörten Häuser sind größtenteils wiedererstellt, Straßen und Brücken und der in seinen Mauern schwer mitgenommene Friedhof instand gesetzt, die restlos zerstörte St.-Maximin-Kirche und die zum größten Teil zerstörte evangelische Kirche wiederaufgebaut.