Geschichte

Kyllburg in der Eifel

Kyllburg, Blick von der Mariensäule

Quelle: General-Anzeiger, 8. April 1927, S.13

Von Dr. P. Kutter

Der kleine Ort des Kreises Bitburg, hoch über der forellenreichen Kyll auf bewaldeter Anhöhe zwischen Gärten und Hopfenpflanzungen, ist unter allen schönen Punkten der vulkanischen Eifel, wie Daun, Gerolstein, Manderscheid usw. der bekannteste. Vom Turm bei der Mariensäule hat man die beste Uebersicht auf die liebliche gestreckte Lage des gekrümmten Bergrückens.

Schon im 9. Jahrhundert besaß Kyllburg eine kleine Kirche; die jetzige kunstgeschichtlich bedeutende Stiftskirche in schöner isolierter Lage am Ende des Ortes stammt wohl aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Es ist ein stattlicher, großräumiger, einschiffiger Bau mit 5 Jochen von fast 36 Meter Länge. Das hohe Chor ist etwas eingezogen und hat zwei sehr niedrige Seitenchöre mit geradem Abschluß. In diesem echt gotischen Hauptchor bewundert man als schönsten Schmuck die leuchtend farbigen Fenster vom Jahre 1534 unter dem spitzbogigen Steinmaßwerk, mit Darstellungen aus der Passionsgeschichte, einzelner Heiliger und der knienden Donatoren Bernhard und Jakob, zwei Kanonikern des Stiftes. Die Hauptfarben sind silber. grau, orange und dunkelblau. Außer einigen leicht erkennbaren Ergänzungen ist die Erhaltung gut, die Qualität ist derjenigen de schönen heiteren Renaissancefenstern zu St. Peter in Köln aus derselben Zeit ganz ebenbürtig, sie gehört zu den besten Leistungen de belgisch-flandrischen Frührenaissance.

Unterhalb der Fenster stehen mehrere figurate gute Grabsteine mit den Relief der Ritter von Brandscheid und Schöneburg; letzterer Johann von Schönenburg, gest. 1540, ein großer kräftiger Herr, kniet in seine Prunkrüstung betend auf einem niedrigen Schemel. Große Sorgfalt ist auf dei Ausführung der Einzelheiten des Harnischs und der vielen Ahnenwappen zu bei den Seiten verschwendet. Die Art der Darstellung eine knienden Beters im Profi: und in schwachem Relief ist in der Eifel wie am Rhein nicht häufig zu finden.

Den Hauptaltar ziert eine interessante, leider modern bemalte Madonnenfigur (von etwa 1360, wohl von einem Trierer Bildhauer) in reich drapierter Kleidung, das halb bekleidete Kindlein hält einen Vogel in der Hand.

Außen an dem schönen Nordportal ist am Mittelpfosten ebenfalls eine Muttergottes aus Stein aufgestellt, die aber von weit geringerer Güte der Arbeit als die Madonna am Hochaltar ist.
Der anstoßende, stark restaurierte Kreuzgang mit gotischen breiten Fenstern stammt wie die Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Die Kapitelle der Säulen zeigen viele Laubwerkmasken und dekorative Männerköpfe mit langen Bärten. Viele Grabsteine geben auch hier Zeugnis von den einst mächtigen Geschlechtern. An den Kreuzgang stößt der quadratische Kapitelsaal mit schönen, sehr kräftigen Rippen, eine starke Säule nur stützt die hoch geschwungenen spitzen Kreuzgewölbe. Das Kapitelhaus, jetzt Küsterwohnung, schließt sich an den Saal an, bietet aber außen an der Ostseite mit den vermauerten und veränderten Fenstern keinen schönen Anblick; der ehemalige Schlafsaal, der das ganze Obergeschoß einnahm, entbehrt jetzt der Balkendecke.

Das Aeußere der schmucken, freigelegenen Kirche (von reifer deutscher Gotik) mit dem geräumigen Kreuzgang und dem straffen Turme zeigt allein schon, daß ihre Anlage nach einem einheitlichen Plan erdacht ist. Bei bescheidenem Umfange und vollständiger Erhaltung haben wir hier ein im Westen seltenes Beispiel einer kleineren Stiftanlage aus der Mitte des 14. Jahrhunderts vor uns, die bezüglich der hallenartigen Kirche auf ähnliche Bauten der Stadt Trier (Dominikanerkirche) zurückzuführen ist.

Nahe der Burg (sic!) lag die einst feste, erzbischöfliche Burg von 1239,von der nur der jetzt restaurierte und zugänglich gemachte Turm erhalten ist. Der Ort selbst war gleichfalls befestigt und wird schon im Jahre 800 als castrum Killiburg genannt. Der Stadtturm ist erst 1820 abgetragen worden. Das Gebiet des Stiftes selbst mit Gebäuden des Kanonikats und den Gärten war durch Mauern und einen Turm als „Stiftsfreiheit“ abgegrenzt. Der Inschriftstein mit dem Wort Stiftsfreiheit von diesem verschwundenen Turm ist jetzt an der Umfassungsmauer des Pastorats eingemauert. Im Stiftsgebiet steht jetzt noch eine Rundsäule mit modernem Kreuz darüber, die den Verhandlungsort der ehemaligen Gerichtsstätte des Stiftes bezeichnet.

Zu erwähnen wären noch mehrere hübsche alte Häuser der Kanoniker in der Stiftsstraße, besonders eines mit reicher Sandsteinfassade des 18. Jahrhunderts; die breite, geschnitzte Tür zeigt Pilaster und ornamentierte Nischenbekrönung, wie sie auch im luxemburger und lothringer Land sehr beliebt waren.

Eine genauere Beschreibung und Würdigung der Kunstdenkmäler Kyllburgs findet sich in dem eben erschienenen, reich illustrierten Bande der rühmlich bekannten, von Paul Clemen herausgegebenen „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“. (7. Band, die Kunstdenkmäler des Kreises Bitburg, bearbeitet von Ernst Wackenroder, Düsseldorf, L. Schwann; hier sind dem Orte Kyllburg allein 30 Seiten gewidmet.)

Das Erscheinen des umfangreichen Bandes (der Kreis Bitburg hat den gleichen Flächeninhalt wie. etwa drei niederrheinische Kreise), der nach langer Verzögerung durch die Kriegsnöte endlich gedruckt werden konnte, ist schon deshalb lebhaft zu begrüßen. weil dieses schöne, an Luxemburg grenzende Eifelgebiet kunstgeschichtlich bisher arg vernachlässigt worden ist. Der Verfasser Wackenroder, der langjährige Assistent bei der Denkmalspflege der Rheinprovinz, hat das Material in jahrelanger Arbeit zusammengetragen und hier, unterstützt von reichem Bilderschmuck.(226 Abbildungen im Text und 12 Tafeln, nebst Karte des Kreises Bitburg) übersichtlich dargestellt.

Es ist im wesentlichen kirchliche Kunst, die wir da erblicken — jene schönen alten Eifellandkirchen, deren oft hinreißende landschaftliche Lage unsere besten Maler, von K. F. Lessing bis H. v. Volkmann und v. Wille begeistert hat. Da ist die alte romanische Kirche in Roth bei Vianden, die reizvolle, schon frühgotische Zisterzienserinnenkirche St. Thomas an der Kyll, und außer der Stiftskirche zu Kyllburg noch die Liebfrauenkirche zu Bitburg; auch barocke Kirchengebäude finden sich mehrfach. Doch in diesem echt romantischen bergen- und waldreichen Gebiet finden sich auch noch zahlreich Burgen und Burgruinen die nicht bloß den eiliger Touristen oder Autofahrer erfreuen und begeisten müssen. Da sehen wir in zahlreichen Abbildungen Schloß Hamm, die alte, in zahlreichen Fehden umstrittene Feste, ferner die malerischen Trümmer der Neuerburg, die romantischen einsamen Ruinen Falkenstein und Prüm zur Ley, ferner das wohlerhaltene, eindrucksvolle Schloß Malberg und die kleineren Barockbauten zu Bitburg und Niederweis bis zu dem reizen den kleinen Schlößchen Weilerbach, das samt seinem träumerischen Gartenhäuschen erst 1780 von dem Tiroler Mongenast für den Abt Emanuel Limbach errichtet wurde.

Auch aus der römischen Zeit konnte viel Interessantes veröffentlicht werden. Da ist vor allem die staunenswert große Anlage der nach und nach vergrößerten Villa eines vornehmen Römers zu Fließem von Otrang, aus dem 1. oder 2. nachchristlichen Jahrhundert, von etwa 400 Metern im Quadrat mit nicht weniger als 66 verschiedenen Räumen und guterhaltenen großen Mosaikfußböden von ausgezeichneter exakter Arbeit. (Eine vorzüglich gelungene Rekonstruktion der fast nur in den Fundamenten erhaltenen Reste nebst Grundriß auf Tafel 2). Die riesige Anlage mit Bädern, Heizung, Wirtschaftsgebäuden, Gärten u. a. war von Mauern umgeben, sie lag an der römischen Heerstraße Trier—Bitburg—Köln. Andere kleinere Villenanlagen sind in Stahl und Bollendorf an der Sauer aufgedeckt worden.

Ist von kleineren römischen Fundstücken in diesem Gebiet nichts nennenswertes zu berichten, so hat es sich der Verfasser, der bewährten Vorschrift der Kunstdenkmäler folgend, angelegen sein lassen, das Wertvollste aus den Kirchen und Schlössern an Einrichtungen und Ausstattungsstücken hervorzuheben und abzubilden. So finden wir viel gute Plastik, Madonnen, Heilige, Grabsteine der vielen Rittergeschlechter der Landes, Glasfenster, Goldschmiedearbeiten (Bitburg, Neuerburg), Renaissancekamine der Burgen und Schlösser, gemalte Wandteppiche und vieles andere mehr.

Je mehr wir uns mit dem reichen Inhalt des Bandes vertraut machen, desto überzeugender wirkt die Erkenntnis, daß dieses Grenzland ein kerndeutsches, nicht von französischen Einflüssen überschwemmtes Gebiet seit dem Abzug der Römer und der Zeit der Völkerwanderung geblieben ist. Und so wirkt das Buch fast automatisch nicht als bloße Kunsttopographie, sondern als eine groß angelegte Heimatkunde, deren Einfluß auch auf die große Menge der Touristenliteratur nicht ausbleiben kann.

Das Interesse für die Geschichte und Kunst der Heimat hat in jüngster Zeit erstaunlich zugenommen, das beweist äußerlich schon die Tatsache, daß sehr viele der Bände der Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz längst vergriffen sind (Bonn!), die jetzt nicht mehr neu gedruckt werden können.

Dank schulden wir auch dem Verfasser für die einleitende Würdigung des Kreises in geographisch-siedlungsgeschichtlicher Beziehung, sowie für die eingehende Zusammenstellung der seltsam zerstreuten Literatur. Die Ausstattung und Qualität der Bilderbeigaben ist der der Vorkriegsausgaben der ganzen großen Bänderreihe der rheinischen Kunstdenkmäler ebenbürtig ausgefallen. Der Kreisausschuß des Kreises Bitburg und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft haben erhebliche (?) zu den hohen Druckkosten beigetragen.

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