Heimatkalender

Schönes Kyllburger Land

Heimatkalender des Kreises Bitburg 1969, S. 77-79
 Zeichnungen und Text Hans Meyer – Trier

Ein Sommertag mit einem klarblauen Himmel über dem schönen Kyllburger Land. Noch ist es die Zeit der Rosen. In den Gärten von Malberg blühen sie in duftschweren Bündeln, eine schöner als die andere. Und draußen an den Wegrändern und Hängen blüht ebenfalls, wenn auch bescheidener, die vielbesungene Heckenrose. Am Ende des Dorfes biegt rechts der Weg nach Mohrweiler ab. Nach wenigen Minuten hat er bereits den Wald erreicht. Hochwald im wahrsten Sinne des Wortes umgibt ihn. Alte Eichen-, Buchen-, Tannen- und Fichtenbestände wechseln links und rechts des Weges in buntester Folge ab. Die Ruhe und Stille des Waldes sind denn auch Grund, daß der Wanderer eine volle Stunde benötigt, um die Höhe von Mohrweiler zu erreichen. Weiter geht sein Weg an den drei Kreuzen vorüber, die pietätvolle Hände zum Gedenken ihrer gefallenen Söhne errichteten. Von hier schwenkt er erneut rechts auf einen Feldweg ab, der zur Kyllburger Mariensäule führt. Hier oben, fernab des unentwegt rollenden Verkehrs, tönt ihm noch aus wolkenlosen Lüften der
Lerche Jubellied entgegen. Er kommt an Ährenfeldern vorbei, an deren Rändern die Kamille, der rote Klatschmohn und die blaue Zyane blühen. Als Sohn dieser Landschaft liebt er nun einmal die Ährenfelder, ganz besonders aber, wenn sie in der Reife stehen und der Wind über sie hinwegstreicht. Er meint, es höre sich dann an wie ein leises Singen, das durch die Halme weht, wie ein Lied von mühsamer, aber hoffnungsfroher Arbeit, vom schweren Schritt des Landmanns, der mit Liebe die Saat in die Schollen streute. Während er langsam dahinwandert, ziehen hoch über ihm im Blauen zwei Raubvögel majestätisch ihre Kreise: Mäusebussarde. Leider werden diese Greife von so vielen, mit ornithologischen Kenntnissen allerdings nicht allzu stark belasteten Zeitgenossen, landläufig als Hühnerhabichte bezeichnet. An Hand der umstehenden Zeichnungen möge der Betrachter doch einmal die Verschiedenartigkeit der beiden Raubvögel prüfen. Allein die Flugbilder beider Vögel weichen schon grundsätzlich voneinander ab. Der als nützlich eingestufte Bussard zum Beispiel, der im Eifel- und moselländischen Räume noch vorhanden ist, wirkt auf den Betrachter vielleicht etwas plump, wenn nicht gar schwerfällig. Den Hühnerhabicht dagegen, der in seiner ganzen Wesensart so vieles mit dem gleichfalls abgebildeten Wanderfalken gemeinsam hat, betrachtet man als Schädling. Er wird dementsprechend auch überall, wo er angetroffen wird, dezimiert. In weiten Gebieten der Eifel zum Beispiel zählt er leider schon zu den „Naturdenkmälern“. Und die Folgen? Überall, wo dieser Raubvogel aus dem Landschaftsbild verschwindet, ist ein ständiges Zunehmen der Krähen-, Elstern- und Häherplage festzustellen. Schwärme von dreißig, vierzig und mehr Elstern sind keine Seltenheit mehr. Was diese drei Vogelarten allein schon in der Brutzeit für einen Schaden anrichten, ist unglaublich. Kein Wunder, daß die Kleinvogelwelt in bedenklichem Maße zurückgeht. Hier sind offensichtlich wichtige Funktionen im Haushalt der Natur ausgeschaltet worden. Eine dieser Funktionen übte auch der Habicht aus, der auf Krähen, Elstern, Häher, usw. eifrig Jagd machte und ihre Bestände so in natürlichen Grenzen hielt, was wiederum der Kleinvogelwelt zugute kam. In diesem Zusammenhang sei daher vornehmlich der Jugend auf das wärmste nahegelegt, die Heimat und die darin noch befindlichen freilebenden Tierarten kennen und schützen zu lernen, damit sie auch noch den nachfolgenden Geschlechtern erhalten bleiben. Genug hierüber.
Weiter geht der Weg des Wanderers bis zu einer altersschwachen Bank, die von Ginster, Schlehdorn und Brombeerhecken umgeben ist, und die etwa in der Hälfte des Weges zwischen Mohrweiler und der Kyllburger Mariensäule steht. Hier läßt er sich nieder. Und während ein Buchfink auf einer nahen Dornhecke sein schlichtes Liedchen in den Sommertag zwitschert, tritt aus dem nahen Wald ein Rehbock, der erst vorsichtig verhofft und dann anfängt, in aller Ruhe zu äsen. Mal nascht er an den jungen, zarten Trieben einer Brombeerhecke, dann wieder tut er sich gütlich an den würzigen Kräutern und saftigen Gräsern ringsum. Es ist ein ungemein friedvolles und zugleich fesselndes Bild, das sich dem einsamen Wandersmann bietet, aber es verhindert nicht, daß seine Gedanken abschweifen. Sie wandern in die Vergangenheit zurück, und die glücklichen Jahre seiner Kindheit werden wieder lebendig. Er sieht die Mutter, wie sie ihre Kinder an den langen Winterabenden beim warmen, gedämpften Licht der Petroleumlampe mit den Geschichten und Sagen des Kyllburger Landes vertraut macht. Eine dieser vergessenen Geschichten, wie man sie noch vor sechzig Jahren erzählte, fällt ihm ein: „Es war in einer bitterkalten Winternacht in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der Eifelsturm peitschte mit aller Gewalt heulend und klagend über die kahlen Hochflächen, rüttelte und schüttelte an den warmen, strohgedeckten Bauernhöfen von Kyllburgweiler und Steinborn, daß es beängstigend war. Der Bauer Kloas aus Stemer (Steinborn), der als Spottvogel bekannt und des Wilderns stark verdächtig war, befand sich mit seinem Fuhrwerk, gegen Mitternacht von Kyllburg über Kyllburgweiler kommend, unterwegs nach Steinborn. Es war eine rabenschwarze Nacht. Der gleichmäßige, fast monotone Huftritt der Pferde auf dem steinhart gefrorenen Boden bewirkte, daß Kloas in einen leichten Halbschlummer verfiel, aus dem er plötzlich unsanft aufgeschreckt wurde. Die Pferde begannen auf einmal, unruhig und nervös zu werden, sie schnaubten und rissen an den Strängen, und sein Hund, der bis dahin neben dem Wagen hertrottete, sprang mit einem mächtigen Satz auf den Wagen neben Kloas, daß dieser fast vom Wagen fiel. Die Rückenhaare des Tieres sträubten sich vor Angst. Während Kloas mit seiner ganzen Kraft die Zügel der Pferde, die durchzugehen drohten, in seinen starken Bauernfäusten hielt, flog eine dunkle Gestalt mit grünlich leuchtenden Augen auf das Hinterteil des Wagens. Der Hund sprang jaulend ab, und Kloas vermochte vor Entsetzen nicht mehr die Zügel zu halten. Die Pferde gingen durch, und die unheimliche Gestalt hockte dicht hinter ihm. Mitternacht! Während die Pferde schnaubend und mit schlagenden Flanken den Wagen über den Kreuzweg rissen, sprang mit einem schauerlichen Schrei die unheimliche Gestalt vom Wagen. — Mitternacht war vorüber. Hund und Pferde kamen zum Stehen und beruhigten sich wieder. Seit jener Nacht war Kloas wie umgewandelt. Nie wieder trieb er Spott mit den Schwächen und Gebrechen seiner Mitmenschen und nie wieder faßte er die Wildererflinte an, mit der er so viel Schaden am Wildbestand seiner Heimat angerichtet hatte. Aus dem losen Spötter und Wilderer wurde ein stiller, ernster Mensch, der bis zu seinem Tod als einer der Besten und Treuesten seines Dorfes galt.“ Hier handelt es sich vermutlich bei der unheimlichen Gestalt um einen, auf das Fuhrwerk hassenden Uhu, der ja bekanntlich im vorigen Jahrhundert noch im Kyllburger Land heimisch war. Soweit die gruselige Geschichte, mit der auch ein schöner Sommertag auf stillen Pfaden durch Wald und Flur sein Ende finden mag.

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