Erzählung/Gedicht/Lied

Ein Bonner Zeichner erlebt die Eifel

1934 Zeichnung Wächterhaus von Wilhelm Virnich

Quelle: Deutsche Reichs-Zeitung, 15. August 1934, S.11

Von Studienrat Wilhelm Virnich, Bonn

Im Herzen der Eifel, an der Eisenbahn Köln—Trier, grüßt auf stattlichem Bergkegel, inmitten eines schützenden Waldkranzes ein beliebtes Reiseziel, Kyllburg, das alte castrum Kiliberg, aus dem die berühmte Stiftskirche und der benachbarte Turm der Kyllburg weit in die Lande schauen. Zu Füßen der Höhe, die von der klaren Kyll umflossen wird, breitet sich unweit im Tale, ebenfalls an der Kyll gelegen, das freundliche Malberg mit den alten Burganlagen aus. Ungestört genießt unser Auge das herrliche Panorama echt deutscher Eifelsiedlungen, eine Landschaft, sen alter Herrlichkeit zumeist ihren eigenen Stil, der deren ruhiger Linienrhythmus sich in weite Ferne fortsetzt.

Wie oft mag die Kamera der durchziehenden Besucher die stille Romantik der Eifelberge festgehalten haben. Dieses Mal ziehe ich den Skizzenstift vor. Er nötigt zum Verweilen und zu eingehenderm Studium hier, wo eine alte deutsche Kultur gar eindringlich redet. Auch führt diese Arbeit naturgemäß und ungezwungen zu anregender Unterhaltung mit lieben, freundlichen Bewohnern, die aufgeschlossenen Sinnes sich ihrer schönen Heimat freuen und mit regem Kunstverständnis auch die Fremden gerne auf die eine oder andere Sehenswürdigkeit hinweisen. Vor allem sind es hier die eigenartigen Wohn- und Wirtschaftsbauten, die bis auf die Zeit der alten Burgherren zurückreichenund sich mit ihren Bruchsteinmauern und Strohdächern noch heute recht eindrucksvoll und malerisch ins Landschaftsbild eingliedern. Fürwahr, es tragen die Zeuherausgewachsen ist aus dem Charakter der Landschaft und der Eigenart seiner Bewohner. Das aber ist es, was uns diese Bauten so wertvoll macht. Besonders anziehend erscheinen jene Stein- und Fachwerkbauten, denen der alte romanische, gotische oder Barockstil zugrunde liegt, und die wegen ihres öfteren Umbaues und einer großen Buntscheckigkeit im Farbton einen mächtigen Anreiz auf Zeichner und Maler ausüben.
Wie ich so eine der alten typischen Straßenecken Kyllburgs in der Skizze vollende, gewahrt mich auf seinem Heimwege der bekannte Kiepen- oder Hottenträger. Schon sitzt er mit seiner schweren Holzlast in Positur. Sein verbindlicher und sachverständiger Blick will mit sagen, daß meiner Skizze noch die belebende Staffage fehlt. So sichere ich mir denn ein liebwertes Andenken an jenen kernigen Menschenschlag, dem man in der Eifel gar oft begegnet. Nachdem ich mich noch von der Beschaffenheit und Zweckmäßigkeit der handgeflochtenen Kiepe überzeugt habe, erfahre ich, daß das Kiepenmachergewerbe als uralte Kunst vereinzelt noch in der Gegend erhalten ist.

Auf der Suche nach dem Kiepenmacher gelange ich an einem sonnigen Nachmittage, abseits vom Dorfe Mohrweiler bei Kyllburg, in fast 500 Meter Höhe, zu einer mit Moos und Stroh gedeckten Hütte, in der der bekannte 70jährige Hottenmacher Michel Sch. an der alten Römerstraße immer noch seinem Gewerbe nachgeht. Der Höhepunkt der Gegend, aber auch der Gipfel der Eifeler Armut ist damit erstiegen. Solche Armut schauen und erleben heißt innerlich zufrieden und anspruchsloser werden. Das Studium der Hütte mit seinen Bewohnern bildet ein Kapitel für sich. Nur gebeugten Hauptes ist der Eingang der Hütte zu beschreiten, die eigentlich nur aus einem einzigen Wohnraum besteht. Der Alte, der uns aufs freundlichste empfängt, versteht es meisterhaft,, unsere trüben Gedanken durch seinen urwüchsigen Humor zu verscheuchen. Mit Stolz erwähnt er, daß er das Häuschen von den Eltern ererbt, und daß in ihm sieben muntere Kinder das Licht der Welt erblickten. Nunmehr haust Michel mit seinem treuen Weib ganz vereinsamt hier, und schelmisch bezeichnet er sich der lachenden Lebensgefährtin gegenüber als das alte Hauskreuz. Wenn auch die Enge der Hütte ihn zuweilen zur Kriegserklärung gereizt habe, zum Ausbruch sei es trotzdem nicht gekommen, so versichert uns der Alte. Das aber wird uns ohne weiteres klar, wenn wir die echt christliche Ausstattung dieses bescheidenen Raumes sehen, der Wohn-Schlafstätte, Küche und Werkstatt zugleich ist. Bei Raummangel aber, so erzählt Michel weiter, hätten gutherzige Nachbarn ausgeholfen. Glückliches Volk, dem solches Wohltun trotz eigener Armut auch heute noch als selbstverständlich gilt! Gediegen und urwüchsig wie die Lebenshaltung und Denkungsart unserer anspruchslosen, biedern Eifeler ist auch ihr Christentum. Das prägt sich immer wieder den Kultstätten, Kirchen und Kapellen, zumeist aber den einsamen Heiligenhäuschen auf, die der kindlich fromme Sinn des Landvolkes oft aus bestimmten Anlässen errichtet hat. Ein solch frommer Zeuge aus alter Zeit, der Urtyp einer Eifeler Feldkapelle, die zugleich Schutzhütte ist, liegt nicht weit von Kyllburgweiler in der Nähe des Dorfes Steinborn. In der Mittagsglut der Sonnenhitze, komme ich hier an. Gibt es wohl etwas Einfacheres in Form und Einrichtung als dieses stille Heiligtum, in dem St. Markus mit dem Löwen, der Schutzpatron der ländlichen Fluren, treue Wacht hält! Fürwahr, das ist unverfälschter Eifelstil, der dem einfachen geraden Wesen seiner Erbauer durchaus entspricht. Ganz aus grobem Bruchstein errichtet und roh verputzt, ist die Kapelle ebenfalls mit schweren Bruchsteinplatten abgedeckt, zwischen denen üppiges Gestrüpp lustig emporwuchert. Zwei mächtige, schützende Tannen beschatten das traute Heiligtum. Allüberall, wohin das Auge schaut, derselbe wohltuende Zusammenklang von Natur und Kultur, dieselbe Harmonie im Leben eines unverdorbenen, zähen Menschenschlags der nicht an letzter Stelle mitberufen ist, an der Erneuerung deutscher Volkskraft und dem Aufbau echten Volkstums wichtigen Anteil zu nehmen.

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