Eifelvereinsblatt 1928, Nr. 6, S. 90/91, von Heinrich Gueth
Auf dem Killberge, einer waldbekränzten Höhe, umrauscht von den Silberfluten des lieblichen Kyllflusses, an althistorischer Stätte, wo einst die Druiden ihren barbarischen Götzenkult trieben, errichtete der trierische Erzbischof Theoderich II. von Wied im Jahre 1238 eine Burg zur Sicherung der Nordgrenze seines Erzstiftes. Sein Nachfolger Arnold II. von Isenburg baute um den schnell entstandenen Ort eine Doppelmauer. So entstand eine starke mittelalterliche Veste, welche im Jahre 1532 durch den Erzbischof Johann VII. von Schöneberg Stadtrechte erhielt. 1273 aber schon errichtete Erzbischof Heinrich von Vinstingen in nächster Nähe der Burg ein Kollegiatstift, welches 1304 von dem Erzbischof Dieter von Nassau bestätigt und mit Statuten versehen wurde. Mit dem Kollegiatstifte erbaute Heinrich von Vinstingen auch den ersten teil der herrlichen Stiftskirche, welcher am 8. 5. 1276 eingeweiht werden konnte. die zweite Bauperiode, welche das kühn gespannte Schiff der herrlichen Kirche vollendete, liegt am Schluß des 14. und beim Beginn des 15. Jahrhunderts, während der dritten und letzten Bauperiode, zu Anfang des 16. Jahrhunderts, der massive Turm erbaut wurde. Wahrscheinlich fällt der Bau des Kapitelhauses in die zweite Bauperiode, und der des Kreuzganges in den Anfang des 15. Jahrhunderts. Die kunsthistorisch so außerordentlich wertvollen Gebäude haben die Stürme der Jahrhunderte bis zur französischen Invasion 1797 glücklich überstanden. Dann wurde das Stift aufgehoben. Die Kurien wurden versteigert. Die Stiftskirche mit Kreuzgang und Kapitelhaus aber schenkte Napoleon 1802 der Gemeinde Kyllburg. Die Stiftskirche sollte an Stelle der Maximinkirche die Pfarrkirche Kyllburgs werden. Da die Gebäude aber vorläufig nicht genutzt wurden, begann die Zeit des Verfalls. Erst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Stiftskirche von der Gemeinde, nach einer notdürftigen Instandsetzung, als Pfarrkirche in Gebrauch genommen. Seit dieser Zeit hat die Pfarrgemeinde Kyllburg in Kyllburg zwei Pfarrkirchen nebst den ausgedehnten Stiftsgebäuden zu unterhalten. Außerdem haben die fünf Filialen für ihre Kirchen zu sorgen. In der Gesamtheit waren dies Unterhaltungslasten, welche über die Kraft der Pfarrei weit hinaus gingen. das kunsthistorisch so wertvolle Kapitelhaus und der prachtvolle Kreuzgang mussten unter diesen Umständen Not leiden, mit dem Erfolg, daß der Kreuzgang völlig eine Ruine wurde und von dem Kapitelhause eigentlich nur die vier Mauern und das Dach erhalten blieben. Eine durchgreifende Renovierung in den Jahren 1863 und 1864 befasste sich fast nur mit der Stiftskirche. Den Kreuzgang ließ man weiter verfallen und im Kapitelhause renovierte man nur die schöne alte Kapelle, die als Sakristei gebraucht wurde. Im Refektorium errichtete man eine primitive Küsterwohnung, während man im Dormitorium im ersten Stockwerk sogar die Balkenlage herausriß, so daß jetzt dort eine gähnende Leere, die ruinenhaft wirkt, sich befindet.
Glücklicherweise wurde der Kreuzgang vor völligem Verfall gerettet, als 1888 die Provinzialverwaltung 9000 Mark und die kaiserliche Privatschatulle 4500 Mark zur Restaurierung zur Verfügung stellten, die dann 1891 stilgerecht vollendet wurde. Der im Jahre 1894 gegründete Liebfrauen-Verein hat dann im Laufe der Zeit viel getan, um wenigstens die Stiftskirche und die Sakristei in würdigem Zustand zu erhalten, aber die Ungunst der Zeiten, Krieg und Inflation haben größere Arbeiten und Instandsetzungen unmöglich gemacht, sodaß die ehrwürdigen Gebäude langsam aber sicher ihrem Untergang entgegengehen, wenn nicht bald durchgreifende und deshalb kostspielige Wiederherstellungsarbeiten in Angriff genommen werden. besonders dringend aber ist zunächst die Restaurierung des Kapitelhauses, jenes interessanten gotischen Bauwerkes, das in seiner Art fast fast einzig im westlichen Deutschland ist. Seine Wiederherstellung ist deshalb nicht nur eine Angelegenheit der Pfarrei Kyllburg, sonder wäre eine Kulturtat, mindestens für die Eifel, ein Sonnenblick, der dem Grenzlande im Westen in seiner augenblicklichen wirtschaftlichen und seelischen Not wohl zu gönnen wäre.
Die baulich so traurigen Zustände der Stiftsgebäude betrüben am meisten den eben so kunstverständigen als tatkräftigen Pfarrherrn von Kyllburg.
Nach langem Studium des Zustandes der Bauwerke, nach vielen Besprechungen mit kunst- und sachverständigen Architekten und Baumeistern, nach langwierigen Beratungen mit maßgebenden Stellen hat Herr Pfarrer Albert Wirth jetzt ein großzügiges Projekt aufgestellt, daß eine umfassende Restaurierung aller Stiftsgebäude vorsieht, wobei auch eine Heizungsanlage für die Kirche und das Kapitelhaus nicht vergessen ist. Das große Werk soll in drei Etappen ausgeführt werden. zunächst aber soll als erstes Teilprojekt die dringende Wiederherstellung des Kapitelhauses ins Auge gefasst werden. Nach eine Besichtigung des Gebäudes durch den Herrn Regierungspräsidenten von Trier, Dr. Saassen, gab dieser die Anregung, das ehemalige Dormitorium als Jugendheim auszubauen. eine überaus glückliche Idee, weil dann Mittel aus dem Fonds für Jugendpflege gegeben werden können, was der Herr Regierungspräsident in freundlichster Weise in Aussicht stellte. Bald wurde auch der Bezirksjugendpfleger, Herr P. Busch, Trier, nach einer persönlichen Besichtigung des Raumes für dieses Vorhaben gewonnen. Auch er sagte tatkräftige Förderung des Projektes zu. Dasselbe gilt auch vom Kreisausschuß des Kreises Bitburg, der sich von der dringend notwendigen Restaurierung des Gebäudes an Ort und Stelle überzeugte.
Jetzt war Pfarrer Wirth so weit, daß er sich von dem Architekten Herrn Marx, Trier, einen Bauplan ausarbeiten lassen konnte. Dieser Plan liegt jetzt vor und stellt eine außerordentlich schöne und stilgerechte Lösung des ersten Teilprojektes dar. Der erste Schritt zum großen Werke ist geschehen.