Rheinische Touristenblätter, 1. Jahrgang 1898, Nr. 7, S.3-5, Von Friedrich Kreutz
Eingeschlossen von üppig bewaldeten hohen Berggruppen, umflossen von der krystallklaren Kyll, mitten in stiller Abgeschiedenheit, liegt etwa 1 Km. unterhalb Kyllburg auf schroffem Bergkegel das prächtige Schloß Malberg nebst dem Dorfe gleichen Namens.
Nicht wenig erstaunt ist mancher Kyllburger Sommerfrischler, wenn er zum ersten Male seine Schritte auf der bequemen Kunststraße gegen Malberg lenkt und nach einer Wanderung von kaum 500 Schritten ganz plötzlich, wie hingezaubert, hinter einem dichtbewaldeten Bergvorsprung das alte Dynastenschloß auftauche sieht. Der Neuling bleibt unwillkürlich stehen und wird von dem Malerischen Landschaftsbilde, welches sich dem Auge darbietet, förmlich hingerissen. Rechts Schloß Malberg nebst der wohlerhaltenen mittelalterlichen Burg und dem Dorf, links Kyllburg, überragt von der Stiftskirche und Burgruine (im Vordergrunde, besonders in die Augen fallend, die riesigen Terrassen und Hallen des Hotels “Eifeler Hof”).
Unstreitig schöner gestaltet sich dieses Bild, wenn man von Kyllburg zu dem Aussichtsthurm (Mariensäule) am Rosenberg emporsteigt, oder noch besser, die Verlängerung des Ringpfades benutzt, um zum Kaiserpavillon und weiter nach Malberg zu gelangen. Letztere Promenade, welche noch mehr wie die übrigen Wege und Verschönerungsanlagen der Kyllburger Umgebung zwischen friedlicher Idylle und ernster Erhabenheit beständig abwechselt, dürfte die beste Gelegenheit bieten, auch dem verwöhntesten Naturfreund Bewunderung und Entzücken zu entlocken.
Nach Hontheim erinnert der Name Malberg an die Gerichtsversammlungen der alten Deutschen. Das älteste Dynastengeschlecht, welches sich auf dem “Malberg” ansiedelte, ist zuerst um das Jahr 1010 nachweisbar. Schannats Stammtafel verzeichnet u. A. Ravengerus, Adalbero, Kuno I., Simon, Fulko, Kuno II. usw. bis auf Rudolph von Malberg, den Stifter der II. Dynastie (1263). Nach Schannat-Bärsch entstammt dieser Rudolph einer Seitenlinie der I. Dynastie, nach anderen Angaben war derselbe ursprünglich unter dem Namen Rudolph von Brunnen (de fontibus), Burgmann in Malberg, bekannt. Es folgen demselben: Goswin, Gottfried, Johann I., Friedrich, Heinrich I., Heinrich II., Wilhelm I., Gemahl von Elisabeth von Ouren und Wilhelm II. Letzterer war mit Elisabeth von Siebenborn vermählt und starb Ende des 14. Jahrhunderts, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Johann II., Herr von Ouren, und seine Gemahlin, Adelheid von Reifferscheid, erbten Malberg. Dann folgten Johann III. und Wilhelm III. (Gemahlin Johanna von Kriechingen). Letzterer starb ohne Nachkommen und so ging die Herrschaft 1465 an dessen Bruder Bernhard I. v. Malberg über. Dann folgten Robert und Claudius von Malberg.
Des letzteren Tochter vermählte sich mit Freiherr Johann Beyer von Boppard. Als letzter seines Stammes (II. Dynastie) derer von Malberg starb im Jahre 1570 Bernhard, ein Neffe des Claudius, welcher seine Mutter zur Erbin einsetzte.
Nach deren Tode wurde der obengenannte Beyer von Boppard durch Erbgang und kauf Besitzer der ganzen Herrschaft Malberg. Als der letzte Sproß dieses ebenso alten wie reichen Geschlechtes mit dem Tode des Freiherrn Georg Beyer von Boppard i. J. 1598 erlosch, ging der größte Theil der Herrschaft Malberg an den Schwager des Letztgenannten, den Herzogl. Lothringischen Rath Chritoph von Kriechingen über.
Später (gegen 1700) kaufte Christoph von Veyder die Herrschaft Malberg und Oberehe. Nach diesem erscheint Valentin Heinrich Werner v. Veyder, Weihbischof in Cöln, als Besitzer von Malberg und Erbauer des neuen Schlosses nebst der Kapelle. Letztere ist im Jahre 1826 verlängert und zum Pfarrgottesdienste eingerichtet worden.
Der vorbenannte Weihbischof schenkte angeblich des bloßen Namens halber, ohne VErwandschaft, bei de Besitzungen dem Franz Moritz v. Veyder, bis dahin Amtmann in Malberg, dessen Stammhaus nach dem Eiflia-illustrata in Bickendorf stand.
Darauf folgten Carl Heinrich und als letzter Carl Ernst von Veyder, welcher mit der Gräfin Carolina Josephina von Saint-Ignon vermählt war. Da diese Ehe kinderlos blieb, ging das Schloß nebst sonstigen Liegenschaften durch Erbgang in den Besitz der Schwester des letzteren, Ernestine von Veyder bezw. deren Ehegatten, des Königl. Oberförsters Schmitz, über. Seit dieser Zeit verblieb das schöne Anwesen bis zur Stunde im Besitzung und Genuß der Familie Schmitz bz. deren Angehörigen.
In Folge der im Jahre 1794 erfolgten Besitznahme der Rheinlande durch die Franzosen wurden sämtliche herrschaftlichen Rechte aufgehoben und nahezu alle Renten mit einem Schlage beseitigt oder durch Vergleich abgelöst.
Das Eisenhüttenwerk sowie die Mühle in Malberg gehörten ursprünglich zur Burg, wurden aber später verkauft. Es wurden daselbst jährlich an 11 000 Centner Roheisen sowie 3½ Tausend Centner Stabeisen fabricirt und waren nach einem alten Verzeichnis 1 Hochofen nebst einem Hammerfeuer im Betrieb. Im Ganzen beschäftigte das Werk vor etwa 60 Jahren 4 Hammerschmiede, 2 Hammerjungen, 1 Platzmann, 1 zimmermann, 1 Pochmüller, 2 Schmelzer, 2 Aufsetzer, 2 Kohlenfüller, 6 Erzklopfer, 4 Tagelöhner, 40 Holzkohlenfuhrleute, 50 Erzgräber und 4 Köhler. Seit etwa 20 Jahren liegt die Hütte außer Betrieb und mit unheimlichen Brausen wälzt sich die noch vorhandene Wasserkraft – leider zwecklos – durch die öde Ruine.
Der II. Dynastenstamm von Malberg (1254-1570) war nur zeitweise im Besitz und Genuß der Herrschaft. Durch Theilung, Verkauf, Verpfändung ec. erschienen während dieser zeit mehrere Besitzer des Ganzen oder eines Theiles derselben, darunter durch Heirath die Herren von Vinstingen, durch Kauf der Trierische Erzbischof und 1580 die Grafen von Manderscheid. Der Erzbischof vergab viele Burglehen zu Malberg. Als Burgmänner werden genannt: die von Hatzenrod, von Wiche, von Wilsecker, von Brandenburg, von Bogard, von Fließem, von Rommersheim, von Linster, von Malberg, von Erdorf, von Dudeldorf, sowie drei Bürgerliche Namens Stolle, Sartori und Sartor.
Im Jahre 1441 belehnte Erzbischof Jakob I. den Wilhelm, ältesten Sohn zu Malberg, Herr zu Adicht, mit den Schlössern Ober- und Nieder-Malberg.
Niedermalberg ist nur mehr zum Theil als Ruine vorhanden und bildet letztere die Erdgeschosse von zwei aneinanderliegenden Arbeiterwohnungen. Die Betreffenden Mauerreste befinden sich gegenüber der heutigen Wirtschaft Loos und sind an dem äußeren thurmartigen Ausbau sofort erkennbar. Im Inneren derselben sind Bemerkenswerth: die Wendeltreppe, die riesige Küche mit außergewöhnlich großem Rauchfang, mittelalterliche Feuerungseinrichtungen, das schöne mit dem Doppelwappen der Beyer von Boppard geschmückte Takeneisen und die an Wänden und Decke der Wohnstube befindliche Eichenholztäfelung.
Auch die Abtei Prüm besaß im Bereiche der Herrschaft Malberg ansehnliche Güter und Gerechtsame, womit 1514 Wilhelm vonMonreal, dann Claudius von Malberg, dessen Kinder, Gerhard Ernst von der Horst, Herr zu Hamm, und zuletzt im Jahre 1772 Graf Adrian Johann Baptist von Lannoy belehnt wurden.
Das erste Dynastengeschlecht war unter Adalbero, Kuno und Rudolph I. (1042-1204) im vollen Besitz aller Güter und so mächtig, daß der Trierische Erzbischof Megingaud dieselben in seiner Fehde gegen den Probst Adalbero in St. Paulin um Hülfe rief. Erzbischof Dietrich sah sich sogar später gezwungen, die Kyllburg anzulegen, um sein Besitzthum gegen die Malberger wirksam sicher zu können.
Mehrere Sprossen der beiden Stämme widmeten sich dem Dienste der Kirche, z. B. starb 1170 Ratherus von Malberg als 26. Abt von Prüm, 1225 Walther von Malberg als Mönch, etwas später dessen Bruder Kuno der jüngere als Cisterzienser-Mönch in Himmerod, zu Ende des 14. Jahrhunderts bekleidete Heinrich von Malberg eine Domherrenstelle und 1457 war Edmund von Malberg Domdechant in Trier.
Auch gefürchtete Haudegen, Raufbolde und Buschklepper entstammen den beiden Linien.
So z. B. konnte es Rudolph, der Stifter der II. Dynastie (1254-1263) nicht verschmerzen, daß die letzte des ersten Stammes, Agnes von Malberg (gestorben 1237), Gemahlin des Grafen Dietrich von Are, dem Kloster St. Thomas erhebliche Güter auf den Bännen von Malbergweich und Neidenbach geschenkt hatte, und verlangte das Vermächtnis ohne Weiteres zurück. Da in Güte nichts auszurichten war, griff Rudolph zum Faustrecht und ging dem Kloster eines Abends derart zu Leibe, daß die sämtlichen Insassinnen aus Furcht für Leib und Leben (unter der Äbtissin Elisabeth I.) bei Nacht und Nebel nach Trier flüchteten.
Nach einer Sage, welche Schannat anführt, wurde der grimmige Rudolph auf das Gebet der Nonnen “gar wunderlich von einem Wolf in ein Lamm verwandelt” und erwies später dem Kloster sogar Wohlthaten. Als derselbe zum Sterben kam, bestimmte er – entgegen dem damaligen Gebrauch – daß er nicht in sondern neben der Kirche begraben werde, indem er sich nicht für würdig hielt, an dem Orte eine Grabstätte zu erhalten, dessen Rechte er so schmählich verletzt hatte.
Am meisten haben die Träger des namens Kuno auf dem Kerbholz. Die Schannat’sche Stammtafel zählt derer 4 auf und erscheint darunter ein Neffe des Dynasten Fulko, Cuno der jüngere am meisten belastet. von ihm erzählt u. A. die Sage Folgendes:
In einer mondhellen Nacht kam Raubritter Kuno mit seinen Gesellen beutegierig durch den Wald beim Kloster Himmerod. Als er bei nächtlicher Stille an das Kloster heranschlich und den Chorgesang der Mönche vernahm, ward sein Herz wundersam erregt. “Ach,” sprach er bei sich, “auch ich möchte meinem unrühmlichen Treiben Einhalt thun und gleich einem dieser Mönche ein friedliches Gott wohlgefälliges Leben führen, aber dies ist leider jetzt ebenso unmöglich, als daß ich mit meinem Rosse diese schwere Buche, welche vor mir steht, durchreite.” Im selben Augeblick theilte sich die Buche in zwei feurige Hälften und Roß nebst Reiter durchsetzten den freurigen Spalt.
Jetzt war Kuno’s Entschluß gefaßt. Er entließ seine Spießgesellen, legte Waffen und Rüstung ab und erschien als rheumüthiger Büßer Einlaß begehrend an der Klosterpforte. Kuno fand als Mönch seinen Seelenfrieden wieder und führte bis zu seinem Tode einen frommen Lebenswandel. Sein Besitzthum “Kunowald” (jetzt Staatsdomäne) vermachte er dem Kloster, die übrigen Vermögensstücke dagegen den Armen.
Thatsächlich wird in den Annalen des Klosters Himmerod Kuno von Malberg (1197), welcher sich durch Frömmigkeit auszeichnete und vor seinem Eintritt in’s Kloster in der Waffenführung geübt gewesen sei und durch Rittertugenden geglänzt habe.
Um die Burg siedelten sich im Mittelalter die bewaffneten Knechte, Leibeigenen, an und gründeten das heutige Dorf Malberg.
Noch bis zur Stunde werden die Malberger – nebenbei bemerkt, recht fleißige biedere Leute – von den Bewohnern der umliegenden Ortschaften mit dem Ausdruck “Kuno” angeulkt und ist es rechts spassig anzusehen, wenn die Schuljungen oder Halbwüchsigen Burschen von Kyllburg und Malberg genau an derselben Stelle sich neckend gegenüberstehen, wo früher die beiderseitigen Burgbesatzungen in Fehde lagen und manchmal im Spiele, manchmal im bitteren Erst ihre Kräfte erprobten.
Ruft der Uhu des Nachts vom Burgsöller oder aus einem hohlen Baum der gegenüberliegenden Schloßwaldungen, so erzählt Großmutter dem Enkelkind: hörst du Ritter Kuno’s Geist, der zur Strafe für begangene Frevel seine mitternächtliche Runde macht.