Chronik 1200 Jahre Kyllburg

Feindliche Besatzung

Quelle: Bericht von Pastor Josef Rödder, Kyllburg,
Entnommen aus dem Lagerbuch II der Pfarrei Kyllburg

Kaum waren die letzten deutschen Truppen durch, da rückte ihnen auf dem Fuße die feindliche Heeresmacht nach. Am 2. Dezember 1918 besetzten amerikanische Soldaten Kyllburg. Wer hätte einmal gedacht, daß je Amerikas Sternenbanner hoch vom Burgturm über Kyllburg wehen würde.

Es ging uns allen durch Mark und Bein, als wir die ersten feindlichen Truppen auf unseren Bahnen, in unseren Straßen sahen. Erst waren sie sehr vorsichtig, zaghaft und zurückhaltend, wurden aber bald zutraulich und frei, als sie merkten, daß sie unsere Leute nicht zu fürchten brauchten. Nachher wurden sie vielfach sehr arrogant, frech und unverschämt.

Bald war der ganze Ort von durchziehenden Truppen voll, und dasselbe Schauspiel der Einquartierung und Überfüllung wiederholte sich jetzt im Dezember mit feindlichen Soldaten, was wir im November mit deutschen Truppen mitgemacht hatten. Ich hatte einmal eine volle Woche 30 Mann hier im Pfarrhause und so ähnlich war es in allen Häusern, die kleinsten Wohnungen mit 5-6 Mann belegt und ein Durcheinander, daß man heute kaum noch weiß, wie es zu machen war. Nachdem der Durchzug so den ganzen Dezember gedauert, setzte sich Mitte Januar 1919 allmählich die ständige Besatzung fest.

Kyllburg war Sitz eines Divisionsstabes und blieb bis Mitte Mai sehr stark belegt. Die schöne Gegend, die guten Bahnverbindungen und besonders angenehme Wohnungsverhältnisse für die Offiziere in den großen Hotels gefielen offenbar den Amerikanern sehr gut und machten, daß Kyllburg ständig voll belegt blieb. Während unsere Filialen und überhaupt kleinere und etwas abgelegene Dörfern gar keine Einquartierung hatten. Auch die Privathäuser waren alle stark belegt.

Hier im Pfarrhause hatte ich einen katholischen Divisionspfarrer. Ein wenig angenehmer Patron. Dazu beinahe 4 Monate eine Amerikanerin, die im Offiziersrang stehend, die Leitung des Wohlfahrts- und Vergnügungswesens hatte. Sie hielt uns ja wohl das Haus von noch mehr Einquartierung frei. Sie war sehr gern hier, aber, was man da alles zu sehen und über sich ergehen lassen mußte, das hätte unser altes Pfarrhaus und wir selber uns doch niemals geträumt – aber nichts war zu machen, sie waren die Herrn.

Exerzitien für Kriegsteilnehmer

Vom 28. Dezember 1918 – 2. Januar 1919 ließ ich durch einen Jesuitenpater eigens Exerzitien für die eben heimgekehrten Kriegsteilnehmer halten. Es war eine gewagte Sache bei dem allgemeinen Durcheinander und tiefen Gemütsdepression der Krieger. Ich machte in Pfarrkirche und Filialkapellen Propaganda und lud schließlich mit einem besonderen Schreiben (das gleich schon die Tagesordnung enthielt) jeden einzelnen schriftlich ein. Gott sei Dank – es hat eingeschlagen. Gleich am ersten Abend war die Maximinkirche unten bis zum letzten Plätzchen gefüllt. So kamen sie die ganzen 4 Tage hindurch. Die Jungen und Männer beteten und sangen und waren so gut gewillt und begeistert, daß es jeden rührte, der es mit ansah. Alle Teilnehmer legten eine Generalbeichte ab. Die Generalkommunion am Neujahrsmorgen war so feierlich und ergreifend, daß sie allen, die dabei waren, in lieber Erinnerung bleiben wird. Von den über 200 Kriegsteilnehmern haben kaum 10 an den hl. Übungen sich nicht beteiligt.

Männerapostolat

Der Pater machte die Exerzitien in seinen letzten Vorträgen ganz besonders für das Männerapostolat mobil. Es wurde gegründet. Ungefähr 70 Jünglinge und Männer haben sich dazu gemeldet. Nicht alle blieben ihrem Versprechen treu, aber immerhin kommen doch noch eine ganze Anzahl an jedem ersten Sonntag des Monates zur Männerkommunion, zu der jedesmal von der Kanzel und auch durch Übersendung des Blättchens vom Männerapostolat eingeladen wurde. Ich hoffe, daß dieser gute Anfang sich in einer baldigen großen Mission für die ganze Pfarrei weiter ausbauen läßt.

Wahlen zur Nationalversammlung

Die Kriegsexerzitien waren die allerbeste Vorbereitung auf die bald folgenden Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919. Die Sozialdemokraten arbeiteten mit Hochdruck auch hier in der Eifel. Die allgemeine Unzufriedenheit, die bitteren Erfahrungen der Krieger und all das Schlechte, was sie gesehen und gehört und daheim erzählten war nur allzu reichlich Wasser für die roten Mühlen.

Dazu konnte ich wegen der starken feindlichen Besatzung, die alle größeren Räume belegt hielt, auch nicht einmal ein Lokal zu einer großen, aufklärenden Versammlung bekommen. Ich war deshalb genötigt, die Sache in der Kirche zu machen und hielt am 6. und 7. Januar in der Maximinkirche abends 6 Uhr zwei Versammlungen mit eingehender Belehrung über Ernst und Wichtigkeit dieser Wahlen und über die Wahlpflicht. Die erste Versammlung war für Frauen und Jungfrauen, die zweite für Männer und Jünglinge. Beide waren sowohl aus dem Ort, wie von den Filialen sehr gut besucht.

Ihnen und ganz besonders den vorangegangenen Kriegerexerzitien hatten wir es zu verdanken, daß unsere Pfarrei bei diesen Wahlen sehr gut abgeschnitten hat und die Roten mit allen ihren Bemühungen es nur auf 20 Stimmen brachten. Trotz des Mißerfolges gründeten die Sozialdemokraten hier eine Organisation, die anfangs etwa 25 Mitglieder zählte, mit 3 Ausnahmen lauter grüne, dumme Jungen von 18 – 22 Jahren, aber die Sache zerfiel schon im Laufe des Jahres, so daß die Roten für die Reichstagswahl 1920 schon gar keine eigene Wahlversammlung hier abhielten.

Mitte des Jahres 1921 wurden die Amerikaner von einer Kompanie des 42. Colonial-Infanterieregiment aus Madagaskar abgelöst. In Kyllburg wurden ca. 300 Mann einquartiert. Es waren französische Kolonialtruppen, die zu einer khakifarbenen Uniform einen grellroten Fez trugen. Außer den normalen Waffen hatte jeder am Gürtel ein großes breites Messer.

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