Geschichte

Ein anderer Landvogt Geßler

Ein Stücklein aus der Feudalzeit.
Nacherzählt von H. Gueth, Kyllburg

Eifelvereinsblatt 1928, Nr. 3, S. 42/43

In unserem Zeitalter mutet das Stücklein gar sonderbar an, und der Fritz Reuter würde, wie ein anderesmal, beginnen: Düsse Geschicht is lögenhaft to vertellen, Jungens, aber wahr is se doch! Denn mein Goorvater pleggt’ jümmer derbi to seggen, wenn he se vertellen deh: Wahr müt se doch wesen , mien Söhn, anners kunn man se ja nich vertellen. De Geschicht hett sick aber so todragen:”
Etwa 250 Meter westlich der Burg Seinsfeld führt die Straße Steinborn-Seinsfeld vorbei. Von den Fenstern der Burg kann man eine lange Strecke dieses Weges überblicken. Ein Selbstherrlicher Ukas (Anm. = Erlass) des Freiherrn W. v. B., genannt Dörfenthal (regierte bis 794), gebot, daß die Untertanen der Herrschaft Seinsfeld diese lange Wegstrecke stets, bei Tag und bei der Nacht, aus Respekt nur mit dem Hut in der Hand passieren dürften. Uebertreter dieses unsinnigen Gebotes waren mit scharfen Strafen bedroht. Ein junger Bursche, Friedrich Weber, welcher wohl schon einen Hauch jenes nahenden Sturmes, der bald alle die angemaßten Herrschgelüste des feudalen Adels hinwegfegen sollte, verspürte, kam oft des Wges und dachte gar nicht daran, vor der alten Burg seine Referenz zu machen. Das wurde bemerkt und der Sünder eines schönen Tages “auf frischer Tat” ertappt und vor den strengen Herrn geführt.
Als der Trotzkopf seine schwere Missetat in verstockter Weise nicht einmal einsehen wollte, wurde er auf Befehl des in seiner Herrlichkeit schwer gekränkten Freiherren von zwei handfesten Knechten auf die Bank geschnallt und im Beisein des hohen Gerichtsherrn mit 25 Stockhieben gar übel traktiert.
Dann musste der Bösewicht zwischen den beiden Knechten, den Hut in der linken Hand und “Augen rechts” den Weg noch einmal machen. Jetzt klappte die Sache, und das wackelnde Ansehen des Herrn der Herrschaft Seinsfeld war für diesmal glücklich gerettet.
Nun sage noch einmal einer, es wäre nicht schön gemütlich gewesen in der guten alten Zeit!

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