Heimatkalender

Der Kyllburger Wappenstein – Ein Versuch ihn zu deuten

Heimatkalender 1964 | S.19 | Von Amtsbürgermeister a.D. Karl Föst

Im Torbogen des im Jahre 1822 abgebrochenen Kyllburger Stadttors war ein Wappen eingelassen, dessen Kopie heute am Eingang zum Kurpark Hahn in Kyllburg an einer Sandsteinsäule angebracht ist. Der Wappenstein vereinigt das Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten Johann VII. von Schönenburg (1581 – 1599 mit dem Wappen Kyllburgs, das die Umschrift trägt: „Der Stadt und Freiheit Kylburgh Wapfen“. Der Stein ist doppelt datiert durch die am oberen Rande angebrachte Jahreszahl 1583 und das Wappen des genannten, damals regierenden Kurfürsten. Dieser Zeit entspricht auch die stilistische Form des Steines.

kyllburg_wappenstein

Aus diesem Stein haben Historiker eine Stadtrechtsverleihung an Kyllburg um 1583 gefolgert, so J. Schneider und G. Bärsch. Viele andere Schriftsteller haben diese Annahme unkritisch übernommen, ohne durch eigene Forschung Klarheit zu schaffen. Allen entgeht, daß im 16. Jahrhundert die Zeit der Städtegründungen längst vorüber war und Kyllburg damals seit Jahrhunderten schon Stadt war; ihnen entgeht auch die Pfandverschreibung des Jahres 1547, in der der Erzbischof und Kurfürst Johann V. (von Isenberg) dem Domkapitel nicht den Flecken, sondern ausdrücklich „seine Stadt Kyllburg“ verpfändete. Da Kyllburg bereits im 13. Jahrhundert, spätestens jedoch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Stadt geworden war, somit der Wappenstein als Zeugnis seiner Stadtwerdung ausscheiden muß, drängt sich die Frage auf, welche Bewandtnis es wohl mit dem Wappenstein haben mag. Bei dem Fehlen jeglicher Urkunden oder anderer Beweise wird Sinn und Bedeutung des Steines kaum völlig sicher und einwandfrei zu ergründen und zu klären sein. Jeder Deutungsversuch wird nur eine Vermutung sein, nur das Mögliche oder Wahrscheinliche ergeben. Was will der Stein zum Ausdruck bringen‘? Eines macht die Vereinigung des Schönenberger Wappens mit dem Kyllburger Stadtwappen unverkennbar: eine starke Verbundenheit des Kurfürsten mit Kyllburg. Betrachten wir einmal die Zeitlage, die politischen Geschehnisse und Verhältnisse in damaliger Zeit. Zunächst etwas zur Charakteristik der Bürger. Die Kyllburger mußten sich rechtschaffen und redlich plagen und abrackern, sich ihren Lebensunterhalt zu beschaffen. Sie waren „arbeitsam, um sich durchzubringen, einige witzig, andere nicht, doch überhaupt von guter auffuhr.“ Kyllburg war vom Erzbischof und Kurfürsten gefreit, in den Städterang erhoben, wodurch alle Einwohner als Freie erklärt waren. Auf diese Freiung waren die Kyllburger mit Recht stolz, und niemand konnte als Bürger aufgenommen werden, der nicht aus der Leibeigenschaft entlassen war und sich hierüber ausweisen konnte. Wachsam und argwöhnisch waren sie auf der Hut, daß ihren verbrieften Rechten und herkömmlichen Gewohnheiten keinerlei Abbruch geschah. Immer wieder können wir in alten Akten feststellen, wie sehr man auf Wahrung aller Freiheit und Rechte bedacht war. Welchen Stoß muß es dem Ehrgefühl der Kyllburger versetzt haben, als am 20. August 1547 Kurfürst Johann V. Stadt, Schloß und Amt Kyllburg mit Dörfern, Gerichten, Rechten, Herrlichkeiten, Büschen, Wäldern, Mühlen, Fischerei und Wildbann mit Vorbehalt der Landeshoheit für 1000 rh. Gulden dem trierischen Domkapitel verpfändet, das Nutzung und Verwaltung dem zeitlichen Domdechanten überließ. Damit schob sich zwischen Landesherrn und Stadt eine Zwischeninstanz ein; die Stadt erhielt in der Person des jeweiligen Domdechanten einen neuen Herrn, der sich als Amtsherr bezeichnete und nunmehr wie der Dynast einer Herrschaft in Stadt und Amt regierte. Diesen Verlust ihrer bisherigen Landesunmittelbarkeit werden Stadt und Bürger als eine Verletzung ihrer Rechte betrachtet und nicht widerspruchslos hingenommen haben. Einer anhaltenden Verstimmung und Unzufriedenheit mag angesichts der Analogie des Vorganges der langwierige Kampf der Stadt Trier um die Reichsunmittelbarkeit noch besonderen Auftrieb gegeben haben. Als dann dieser Streit im Jahre 1580 beendet und zuungunsten der Stadt Trier entschieden wurde, wird man sich allerdings in Kyllburg resignierend mit der Tatsache der Amtsverschreibung und der Unterordnung unter einen Amtsherrn abgefunden haben. Es liegt nahe, daß Kurfürst Johann VII., dem man Liebenswürdigkeit und Frömmigkeit nachrühmt, hierbei beschwichtigend und einrenkend auf die Kyllburger eingewirkt haben mag, ihnen ihre durch die Pfandverschreibung hervorgerufenen Besorgnisse zerstreute und ihnen Wahrung ihrer städtischen Rechte und Freiheiten zusagte.

Diese Gedankengänge gewinnen, obwohl eine urkundliche Grundlage nicht geboten wird und nicht zu finden ist, noch mehr an Wahrscheinlichkeit, wenn man Vergleiche mit anderen Wappensteinen des Kurfürsten Johann VII. anstellt. So finden wir sein Sandsteinwappen in einer Kombination mit dem Prümer Lamm im Prümer Rathaus eingemauert. Hier gilt dieses Wappen als ein Zeichen dafür, daß 1576 die alte Reichsabtei Prüm dem Trierer Erzbistum einverleibt wurde. Bekundet hier der Kurfürst, daß er nunmehr Landesherr von Prüm geworden, so erscheint die Annahme durchaus berechtigt, daß er mit dem Kyllburger Wappenstein sichtbar machen wollte, daß er allein nach wie vor der Landesherr und Landesvater der Stadt Kyllburg sei und bleiben werde, keineswegs der Amtsherr.

2 Kommentare

  • Wenn man den Wappenstein am Haus des Gastes anschaut, fällt auf, dass der ansonsten graue Sandstein im unteren Teil eine braune Verfärbung aufweist. Sicherlich haben Generationen von Historikern gerätselt, wie diese wohl entstanden sein könnte.
    Die Lösung des Rätsels ist einfach:
    Ein heute wieder in Kyllburg lebender, damals 9 Jahre alter, aber recht hoch gewachsener Knabe hatte zum neuen Schuljahresanfang eine Schachtel mit Wachsmalstiften erhalten, die im Hause Atzhorn gekauft wurden. Auf dem Weg zur heimatlichen Stiftstraße war die Mutter im Gespräch mit einer Bekannten stehen geblieben. Der unbeaufsichtigte Knabe packte derweil die Malstifte aus und begann, mangels papierener Möglichkeit, damit den grauen Wappenstein in sandsteinbrauner Farbe, so wie Sandstein halt auszusehen hat, auszumalen. Die bestürzte Mutter konnte, auch mit der später beigezogenen Wurzelbürste und Seifenlösung, die Schandtat nicht beseitigen. Inwieweit das in späteren Generationen bauseits noch einmal versucht worden ist, entzieht sich der Kenntnis des Verursachers. Aber: Noch heute schleicht sich ein Grinsen in das Gesicht des Betreffenden, wenn er des Wappensteins ansichtig wird. Die Sache ist wohl verjährt, hoffentlich, daher an dieser Stelle auch gut aufgehoben.

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