Chronik 1200 Jahre Kyllburg

Das merowingische Rodungswerk – der Hof

Chronik 1200 Jahre Kyllburg 800-2000 S.18-24

Das Wort Hof – ahd. houbaHufe ist eine Rechtsform innerhalb einer baulichen Gemeinschaft. Hufe, Hof bezeichnet die Hofstelle des im Dorfe gelegenen Hausgrundstückes eines Unfreien, Minderfreien oder Vollfreien nebst seinen Anteilen an der Flur und der Mark: Ackerland, Wiesenland, Garten, Weideland, Fischgewässer, Ödland und Wald.

Diese Hufe ist teilbar. Es konnte etwa das Grundteil ohne das Zubehör der Gemarkung, das Feld ohne die Hofstelle veräußert werden. Oft wurde solches Land durch die Rodung grundstückweise abgemarkt und eingezäunt, es hieß dann: captura, bivang, biunde.

Die neuen Ortsnamen auf -rod, -hagen sind also meist auf Neubruch entstandene grundherrliche Hofstätten, Einzelhöfe. Hand in Hand damit ging der Ausbau dieser Einzelhöfe zu Dörfern. Alte Einzelhöfe konnten auch zu Dorffilialen vergrößert werden. Auf Grund römischer rechtlicher Bestimmungen war kleinerer Grundbesitz von dem bisherigen Eigentümer zugunsten eines neuen Grundherrn aufgegeben und von diesem dem Tradenten pachtweise zur Nutzung überlassen, mit der Bedingung, dass dieses Landgut nicht veräußert werden dürfte.

Gutsverleihungen gehören zu den Repräsentationspflichten eines Herrscherhauses. Solche Lehen brachten, sobald die Bodenrechte dem Lehensmann übereignet waren, dem Grundherrn nichts mehr ein. Wettgemacht wurde dieser Ausfall durch die im merowingisch-karolingischen Zeitalter unter den Grundherrn einsetzende Forestierung der Marken, also eines großen Rodungswerkes. In einer reichen Gliederung und einheitlichen Organisation der Arbeit lag das Geheimnis des ungemein raschen und folgenschweren Wachstums der neuen großen Grundherrschaften. Sie zeigten bald einen großen Gegensatz zur Wirtschaft der kleinen freien Grundbesitzer, die noch mit Weib und Kind und Knechten ihre Hufe dürftig bestellten.

Bei der Grundherrschaft konnte jede überflüssige Arbeitskraft an den Platz gestellt werden, wo sie sich nach Eignung und Fähigkeit am besten betätigen konnte. Mahalabergo und Hagen gehören zu den siedlungsgeschichtlichen Erscheinungen der Merowingerzeit. Die fränkische Domänenverwaltung hatte dem Waldland eine besondere Fürsorge gewidmet, weil in ihm noch viel herrenloser Boden war. Von dieser Zeit an pflegten die Könige die Waldungen, sie stellten laufend und planmäßig Teilstücke immer wieder der allgemeinen Nutzung zur Verfügung. Diese Gebiete wurden mit dem königlichen Bann belegt (Silva regalis), in Forste umgewandelt und der Obhut ihrer Forstbeamten (forestarii) empfohlen

So wurden sie als Regalien der Bewirtschaftung zugeführt, für die Besiedlung angelegt und ausgebaut. Der bisherige breite übrige Grenzraum wurde auf eine schmale Grenzlinie reduziert und so das siedlungsfähige Land vermehrt. Das technische Verfahren bestand in der Rodung des Waldes unter der Leitung eines königlichen Beamten.

Die Siedlungsgeschichte beweist, dass die Merowinger die Rodung im Grenzraum zwischen Gutland und Wald begonnen hatten und die Karolinger durch Dotationen an die Klöster, durch planvolle Rodung die Grundlagen für neue Siedlungsräume legten. Der Neubruch in der Merowingerzeit (runcale, novale), durch Rodung gewonnenes Land, blieb immer noch von der alten Siedlungsfläche abgesondert, sie hießen hagen. In Schweich werden haistaldi erwähnt (Mittelrh. U. B. I). Die Rechtsgrundlage für diese haistaldi war folgende:

Wenn eine neue Hundertschaft im Vastum (Rodungsland) bestimmt war, aber noch nicht eingerichtet wurde, weil der Beamte der Markensetzung nicht zur Hand war, oder auch weil die Qualität des Bodens nicht genügte, so blieben die Zuziehenden als Anwärter auf den HufenHagustalch – im noch nicht abgemarkten Confinium (Nachbargebiet – Grenzgebiet). Das fränkische System bei der Neubesiedlung war also folgendes: Je hundert neue Hufen wurden durch die Herzöge und Confiniales gebildet. Oft war die Zahl der Zuziehenden so groß, daß alle ihren Verbleib – mansus – bekamen. Waren aber alle neugebildeten Hufen besetzt, wo blieben dann die Hufenberechtigten, die zuzogen? Sie wurden vorläufig in die Hagen, die biunda, die proprisa, als Hagustaldi eingestellt, mit gleicher Anwartschaft auf eine Hufe wie die Hufeninhaber, mit gleichen Pflichten. Sie hatten aber noch keinen Behuf, keine houba zu ihrem Verbleib.

Von je hundert Anwärtern auf eine Hufe wurde ein haistaldus geschickt, der mußte mit den anderen zusammen die curtis aus Holz und Steinen bauen. Das Prümer Urbar beweist, dass die haistaldi noch keinen erblichen Grundbesitz hatten oder zu Diensten wie die mansionarii verpflichtet waren. Ihren Verbleib hatten sie, ihren Behuf, die houba, hatten sie noch nicht. Sie konnten ihn erst nach Regulierung der Hagen erhalten.

Somit war die Lage der hagustaldi nicht beneidenswert. Sie hatten, wie das Prümer Urbar zeigt, beide Rechte im Walde, aber noch keinen zugewiesenen Besitz. Die ältere lateinische Form des Hagenrechts wird auf Karl den Großen zurückgeführt. Die Hagen waren also außerhalb der Centene des Gaugrafen belassen. Karl der Große sah das, terminare im confinium als sein wichtigstes Vorrecht an, das heißt, das ganze confinium (Grenzgebiet eines Gaues) erlebte die Markensetzung durch karolingische Beamte. Also entstanden im alten confinium Güter, die später Ministerialgüter oder Hagen genannt wurden.

Zu den Herrenhufen, die so in karolingischer Zeit in Hagen angelegt wurden, können wir die sogenannte curtis zählen. Eine curtis mußte wohl auch auf dem Kyllburger Berg gelegen haben, die karolingische curtis ist durch ihre Bauweise als Gut eines Adeligen anzusprechen. Sie zeigte die Entstehung eines Herrensitzes im confinium. Später wurden die Hagen, die im confinium entstanden waren, durch duces (Grafen) geordnet, das heißt die Rechte der Hufenanwärter wurden geregelt. Dieses war heimatgeschichtlich betrachtet der Zeitpunkt, an dem im weiten Raum von Kyllburg die eingangs erwähnten vier Grundherrschaften abgemarkt und rechtlich eingerichtet wurden. Das Zentrum eines solchen Grundherrschers war eine curtis, die curtis-Anlagen reichen weit in die Merowingerzeit zurück. Besonders die Wasserburgen sind meist merowingischen Ursprungs.

Die normalen Anlagen einer curtis waren von einem Geviert von ca. 100 m, sie waren mit Schutzwall und Graben umgeben. Die Anlage einer curtis ist eindeutig von militärischen Überlegungen geleitet. Bekannt ist, daß die Franken in ihrem gesamten Siedlungsraum solche Anlagen errichteten. Die Schutzanlagen einer curtis bestanden aus:

Mauer – Holzzaun – Dornhecke – Zaun

 

Das umwallte Geviert konnte auch durch Wachttürme an den Ecken besser gesichert werden. Später, als die Sicherheit allgemein größer war, traten die curtes mehr als abgeschirmte Wirtschaftshöfe in Erscheinung. Die curtes waren dann zugleich Verwaltungshöfe. Wenn der Feind kam, konnte die curtis von den gesamten Insassen der Villa besetzt und verteidigt werden. Einen eigentlichen militärischen festen Punkt haben sie, so ausgestattet, kaum dargestellt. Die Hufeninhaber konnten sich mit ihren Knechten sehr wohl gegen umherziehende kleine Abteilungen zur Wehr setzen und ihr Vieh retten. Allgemein gilt die Erfahrung, dass die curtis dort vorkam, wo römische Anlagen ausgeschlossen waren. Wenn wir die Vorläufer der Burgen im Raume Kyllburg als curtes ansehen, so wäre es sogar denkbar, dass am Kyllberg eine Burg – castellum stand, die für Kriegsfälle mit einer größeren Besatzung belegt werden konnte. Wir beobachten bei den Festungsanlagen der Franken eine gewisse Tradition der Römer

In den Befestigungen der karolingischen Zeit finden wir deutlich die Spuren der römischen Heerestechnik.

Die römische Gliederung des Heeres war bei der Ansiedlung der trustis entscheidend. Je neun Leute der trustis saßen um ihren Dekan herum in der neu gegründeten Niederlassung. Ein bis vier Dekane bildeten im Frieden zusammen die Siedlung, die fränkische Villa. Diese Siedlung der trustis bildete das Endergebnis der ersten fränkischen Landnahme, die Leute der trustis erhielten damit ihre Bleibe

Der Vorsteher der Siedlung war gegebenenfalls der Führer der trustis. Ortsniederlassungen nach dem Dezimalsystem waren die bekannte ripuarisch-fränkische Eigenart. Die befestigte curtis war der Sammelpunkt der trustis. Wir wissen, dass die Franken seit Dagobert I. die Hundertschaften im Volkslande einrichteten.

Eine Zusammenfassung ergibt: Fränkisch ist die Hufe, die centene, fränkisch die Zusammenfassung größerer Forsten, die als Hagen oder Herrenhufen außerhalb der Gaugrenze eingerichtet wurden.

Die Geschichtsquellen der Rheinlande zeigen, dass die Centene im Ripuarierlande erst das Resultat einer sehr allmählich fortschreitenden Markenregulierung war. Diese Entwicklung kam erst unter Karl dem Großen in vielen Distrikten zum Abschluss.

König Dagobert I. (622-638) hatte im Raume Trier diese Entwicklung weitgehend eingeleitet und gefördert. Er schuf den Ausgleich unter den bisherigen Reichsteilen. Die Zeit der Hagensiedlungen und Markensetzung im Ripuarierlande begann unter Dagobert I.

Der Flurname Hahn weist den Kyllberg als Herrenland dieser Zeit aus, das ursprünglich die ganze Landzunge an der Kyll umfasste und als Hagensiedlung mit einer fränkischen curtis entstand. Diese fränkische curtis ist der Vorläufer der kurtrierischen Kyllburg, obwohl bisher größere Bodenfunde fehlen

Der Flurname Hahn ist somit die älteste Geschichtsquelle, die wir von Kyllburg haben. Fast alle Siedlungen im Buntsandsteingebiet sind Talsiedlungen, Kyllburg ist in auffallender Weise eine Höhensiedlung, die durch Grundrechte bedingt sein muß. Die um das Jahr 800 nach Christus am Kiliberg erwähnte Festung – castrum – war also die Nachfolgerin der fränkischen curtis aus der Merowingerzeit.

 

Ein fränkisches castrum aus Sigiburg aus dem Jahre 775 hatte folgendes Aussehen:

Die Festungsmauer bestand aus Trockenmauern mit einem festgemauerten Tor, das nach römischem Muster eingebaut war. Das unmittelbar herumliegende Gebiet war nach fränkischer Art mit genauen Grenzen abgesetzt. Die Franken hatten sich also auch beim Bauen von Castra engstens an die römische Festungsbauweise angelehnt, so dass fränkische Anlagen oft mit römischen Anlagen verwechselt werden können. Das fränkische castrum zeigt trotz aller römischen Formen einen durchgreifenden Unterschied, nämlich die Doppelteilung in Burg – palatium – und heribergium (Festung der Hagustaldi)

 

Wenn wir diese Doppelteilung auf den Raum des Kilibergs anwenden, so ergibt sich folgende Gliederung:

Der Raum der alten Kyllburg ist der gleiche Raum für die curtis und für das castrum, daran schließt sich der Hagen, der befestigte Teil für die hagustaldi, ihr Heribergium. Der Kyllburger Hahn ist das Heribergium der merowingischen curtis und der karolingischen Burg

Im Jahre 742 wurde Karl (der Große) als ältester Sohn des Frankenkönigs Pippin des Jüngeren und dessen Gemahlin Bertrada geboren. Ob Karl auf der Burg Mürlenbach (Bertrada-Burg) geboren ist, wie die Sage und Volksüberlieferung uns berichtet, erscheint durch die Besitzungen und Spuren seines Geschlechtes in unserer Heimat zwar nicht unmöglich, jedoch entbehrt die Überlieferung einer festen historischen Grundlage.

In seiner Regierungszeit 768-814 erreichte das Frankenreich seine größte Ausdehnung.

In diese Zeit fällt auch die erste urkundliche Erwähnung Kyllburgs. Fünf Monate vor der Krönung Karls in Rom (Weihnachten 800) zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches durch Papst Leo III wird in einer Schenkungsurkunde das castrum Kiliberg genannt.

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