Ich habe mir lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreiben soll oder nicht. Denn ich beabsichtige Überlegungen zur Kyllburger Historie nieder zu schreiben, die in keinster Weise belegt und bewiesen sind. Es sind lediglich Theorien, die allerdings, sollten sie sich jemals beweisen lassen, die Ursprünge unseres Ortes neu schreiben.
Doch lasst uns vorne beginnen. Im Jahre 2000 feierte die Stadt Kyllburg ganz groß eine 1200-Jahr-Feier, mit Umzug, Rittergelage und allem, was dazu gehört. Es war ein sehr schönes Fest.
Grundlage für die Festlegung auf 1200 Jahre war eine Urkunde vom 26. Juli 800. Hierin vermachten die Eheleute Elmfred und Dǒda dem Kloster Prüm ein etwa einen Morgen großes Feld in der Nähe von “kilibergo”. Dort hatte das Kloster bereits Felder, die an das dem Kloster vermachte grenzten. Mehr steht da nicht. Und dennoch wird diese Urkunde als Erstnennung von Kyllburg herangezogen. Meiner Meinung nach etwas zu dürftig für eine Beleg. Doch mehr dazu gleich. Ich vermute, der eigentliche Fehler wurde ganze 422 Jahre später begangen, nämlich im Jahre 1222. Cäsarius, Abt des Klosters Prüm, kommentiert alte Urkunden, die im Prümer Urbar (begonnen 893) zusammengefasst sind. In einer Urkunde werden zwei Kirchen im Gebiet Ettellendorpht erwähnt. Cäsarius ergänzt im Jahre 1222, es sei eine in der Nähe von Malberhc auf dem Berg Kileburhc und eine in Willesacger. Das mag definitiv 1222 so gewesen sein. Aber war es das auch 897 oder gar 800? Wir können das nicht ausschließen, jedoch Beweisen können wir es auch nicht.
Ich gehe nicht davon aus, dass Kyllburg, beziehungsweise eine Siedlung an heutiger Stelle, im 9. Jahrhundert existiert hat. Wie schon erwähnt, es ist nur eine Theorie, die ich hier näher erläutern möchte.
Wir schreiben das Jahr 800. Die Völkerwanderung ist vorbei und die germanischen Volksstämme haben sich endgültig angesiedelt. In unserer Gegend sind es die Franken, die sich breit gemacht haben. Sie haben die alten römischen Siedlungen übernommen und ausgebaut. Im 8. Jahrhundert beginnt dann die Zeit der Siedlungsneugründungen. Neue Höfe und Ortschaften schießen förmlich wie Pilze aus dem Boden. Das war nicht so problemlos, wie es klingen mag. Das Gebiet rund ums heutige Kyllburg, war ursprünglich nur sehr dünn besiedelt und der Ackerbau hatte daher noch keine große Verbreitung. Es ist also leicht vorstellbar, dass die überwiegende Vegetation aus dichten Urwäldern bestand. Um dem Boden eine andere Nutzung abzuringen als Jagen und Sammeln, war einige Anstrengung nötig. Ich weiß nicht wie man es damals schafte einen Urwald in nutzbare Ackerfläche zu verwandeln. Heute schaffe ich es nicht einmal, das Unkraut aus meinem Garten zu verbannen. Bäume mussten gefällt werden. Ihre Wurzeln wurden ausgegraben. Steine wurden ausgesiebt. Und alles wurde von Hand, mit einfachen Werkzeugen bewerkstelligt. Es war äußerst mühsam und ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich damals freiwillig diese Arbeit an einer schwer zugänglichen Stelle wie dem Stiftsberg gemacht hätte. Viel mehr hätte man zuerst große, weite und möglicht ebene Flächen gerodet. Und diese Flächen gibt es rund um Kyllburg zu genüge.
In den alten Prümer Urkunden wird immer wieder Etteldorf erwähnt. Es ist schwer zu glauben, dass ein Ort, mit einer Hand voll Häuser, einst eine erwähnenswerte Siedlung war. Vor 1200 Jahren besaß Etteldorf jedoch einen, wie man heute sagt, besonderen Standortvorteil. Es liegt am Rande eines weiten Plateaus. Wer heute von der Wilsecker Linde Richtung Etteldorf spaziert, kann es selbst sehen. Hier war damals, und ist noch heute, der ideale Standort für Ackerbau und Viehzucht. Der Blick nach rechts ins malerische Kylltal und auf den Stiftsberg, hätte einen Menschen des 1. Jahrtausends, bei dem Gedanken, diese Wildnis durchqueren zu müssen, höchstens vor Widerwillen die Lippen kräuseln lassen. Ganz zu schweigen von den nassen Füßen und Beinen, die eine Durchquerung der Kyll zur Folge gehabt hätte.
Ich gehe davon aus, dass das in der Elmfried-Urkunde von 800 genannte Feld auf der Etteldorfer Höhe oder ein Stück weiter nördlich bei Bertert gelegen haben muss. Zumal man diesen Bereich durchaus auch als Kyllberg bezeichnen kann. Dafür spricht auch, dass eine Nutzung dieser Gegend aus römischer Zeit (1./2. Jahrhundert n. Chr.) belegt ist. 1908/09 fand man bei Bertert auf einem Feld etwa 10 römische Brandgräber. Da man nicht annehmen kann, dass die Otranger Römer ihre Urnen auf die andere Kyllseite schleppten, um sie dort zu begraben, sollte man im Gebiet von Etteldorf eine alte römische Siedlung vermuten. Diese wurde bislang nicht gefunden, da noch niemand nach ihr gesucht hat.
Bestandsaufnahme: Was haben wir?
Römer, Ackerfläche, Etteldorf und in Folge dessen wahrscheinlich auch Wilsecker, das im Mittelalter Etteldorf den Rang ablief (Wichtige Herren von Wilsecker ließen sich aufwändig in der späteren Stiftskirche bestatten). Aber ich sehe da immer noch kein Kyllburg. Die Besiedelung des Bergrückens lässt also noch auf sich warten.
Wenn man sich den Ort heute von der Mariensäule aus anschaut, kann man sich nicht vorstellen, dass Kyllburg nicht vom Stiftsberg aus gewachsen sein soll. Dabei würde das doch Sinn machen: Da ist die Burg, davor ein paar Häuser und dahinter der Stiftsbereich. Aber die Siedlung Kyllburg begann am gegenüberliegenden Berg, dem heutigen Annenberg. Hier steht seit mindestens 1000 Jahren eine St. Maximinkirche. Wenn die alte Maximinkirche nicht 1945 Opfer alliierter Bombenangriffe geworden wäre, könnte man heute noch den romanischen Turm der Kirche bewundern, der auf eine Erbauungszeit um 1000 n. Chr. schließen lässt. Der Kirchenbau wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und erweitert, aber der alte Turm blieb immer der gleiche.
Die Maximinkirche war bis ins 18. Jahrhundert eine bedeutende Pfarrkirche, die weitreichenden Einfluss besaß. Doch wäre die Kirche nie ohne eine dazugehörige Siedlung gebaut wurden. Im heutigen Malberg gab es vor 1000 Jahren schon eine Burg und eine Siedlung, aber keine Kirche. Jetzt beginne ich wieder zu theoretisieren. Könnte es sein, dass die Maximinkirche für die Menschen dieser Siedlung errichtet wurde? Kirchen werden im Allgemeinen gerne etwas höher errichtet als die Profanbauten. Was das bedeuten würde, kann sich jeder selbst ausdenken und es tut mir im Schmino-Herzen weh, dass ich diese Theorie in den Bereich des Möglichen gerückt habe. Gut, sprechen wir es aus. Da diese “Malberger” Kirche nun mal jetzt da war, wurden selbstverständlich nach und nach mehr und mehr Häuser in deren Nähe errichtet. Die Keimzelle eines späteren Kyllburgs am Killiberge war gelegt. Mangels Ackerfläche musste der Annenberg urbar gemacht werden. Das geschah mit Hilfe von Terrassen, die dem Hang mühsam abgerungen wurden. Nach meiner Theorie erstreckte sich vor 1000 Jahren der Ort Kyllburg von der Kirche bis etwa zum Eifeler Hof. Platz genug für etwa 20 Hütten und knapp 200 Menschen.
Wir haben jetzt eine erste Siedlung, die sich selbst versorgen kann. Als nächstes brauchen wir eine Mühle. Damals eine wichtige Einnahmequelle. Die Kyll war ideal, um an ihr eine Wassermühle zu errichten. Man kann getrost davon ausgehen, dass die Mühle vor 1000 Jahre auch schon etwa an ihrer heutigen Stelle stand. Im Umfeld von Mühlen gründeten sich oft weitere Handwerksbetriebe, wie Schmiede und Gerber, Weber, Fischer. So ist es auch in Kyllburg gewesen. Und, wenn man überzählige Produkte hat, dauert es nicht lange, bis ein reger Handel entsteht. Straßen werden gebaut, um die Waren besser von A nach B transportieren zu können. Ein Ort mit Warenhandel gewinnt zunehmend an Bedeutung und Wohlstand. Im Mittelalter bedeutete das, dass der Wohlstand der einen, den Neid und die Missgunst anderer hervorrief. Um die Bürger vor diversen Missgünstlingen zu schützen, mussten entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Die übliche Vorkehrung im Mittelalter war die Errichtung einer Burg.
Nun wird jedoch erst 1239 vom Burgbau zu Kyllburg berichtet. Ich alten Dokumenten taucht aber schon vorher immer wieder der Name Kiliburhc auf. Von meinen historologischen Vorgängern wird diese Tatsache gerne mit der Wortähnlichkeit von Berg und Burg unter den Teppich gekehrt. Da dieses hier meine Theorien sind, möchte ich darauf bestehen, dass ganz bewusst das Wort “Burg” benutzt wurde. Das bedeutet, dass es eine Vorgängerburg zur heutigen gegeben haben müsste.
Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum die Kyll-Burg dort steht, wo sie nun mal steht. Alle Burgen, die ich so kenne, stehen an der höchsten Stelle des Berges, von der man den besten Rundumblick hat. Nur in Kyllburg nicht. Ich wette, dass jetzt der ein oder andere einwirft: “Ganz oben ist ja schon die Stiftskirche!” Mit dem Bau der Stiftskirche wurde aber erst 37 Jahre nach dem Bau der Burg begonnen!
Wir müssen also nochmal zurück zu dem Menschen im 1. Jahrtausend, der ins Kylltal schaut und nur Wildnis erblickt. Das heutige Stiftsplateau war damals ein dichter Urwald, felsig, unbebaubar, undurchdringlich für Feind und Freund. Wer in der Stiftstraße wohnt und einen Garten oder einen Keller hat, weiß, dass die nutzbare Erdschicht leider nur sehr dünn ist und recht bald blanker Fels folgt. Ein Umstand, der die bedauernswerten Kanalbauer in den 1970er Jahren fast verzweifeln ließ. Die Burg baute man daher so hoch wie es nur ging. Schwierig genug bei diesem Gelände, denn die erste Kyll-Burg war wahrscheinlich kein gemauertes Bollwerk, sondern eher ein mit Holzpalisaden umzäunter Bereich.
Und jetzt erst beginnt die heute nachvollziehbare Geschichtsschreibung.
Ob, und in wie weit, meine Theorien stimmen, kann ich nicht beweisen. Sie erklären jedoch einige Ungereimtheiten in der bisherigen Geschichtsschreibung. Wenn sich jedoch bewahrheiten sollte, dass Kyllburg eine ehemalige Malberger Siedlung ist, die sich selbständig gemacht hat, wäre das der ideale geschichtliche Grund für eine “Wiedervereinigung” der beiden Gemeinden. Was denkt ihr?
An deiner Theorie könnte durchaus etwas dran sein. Wenn man sich neben der Leichenhalle hinter der Maximin Kirche den Teil einer Grabplatte anschaut, die in den 60 ern von meinem Großvater im Bereich Haus Neye gefunden wurde, ließe das auch noch andere schlüße zu. Etwas höher , also hinter dem Kurfürst fanden wir in den 70ern tönerne Wasserleitungen die schon mal für römisch gehalten wurden weil sie fein und filigran gearbeitet waren. Kyllburg ist evtl sehr viel älter als angenommen wird. Nun vlt werden das neue Funde belegen die in heutiger Zeit gemacht werden…..