Heimatkalender

Hopfenanbau in St. Thomas, Kyllburg und Malberg

Heimatkalender 1956 | S.32-35 | Von Karl Limburg

Immer wieder erhebt der Wanderer im Kyllburger Land die Frage, wie die Terrassen um Kyllburg am „Annenberg“, „Rosenberg“, „Meiselter“ und „Hang“ entstanden sein mögen. Er vermutet alte Weinbergsanlagen, Gärten, Bergbefestigungen und ähnliches. Er ahnt zumeist nicht, daß ein großer Teil der Bevölkerung noch vor 44 Jahren in diesen sorgfältig angelegten Terrassengärten den Anbau von Hopfen pflegte, daß St. Thomas, Kyllburg und Malberg von diesen Hopfenwäldern umgeben waren. Noch leben viele von denen, die einstmals in den schönen Anlagen werkten und schafften und in geruhsamer Feierabendstunde durch ihre blühenden Hopfengärten wandelten, um den kräftig würzigen Blütenduft zu trinken.

Sie alle erinnern sich gerne jener schönen, besseren Zeit. Bereitwillig und froh erzählen sie von ihrer schweren und mühseligen Arbeit um ihre „Haobstangen“ und von den gemütlichen Abenden, an denen der „Haob“ in der Stube mit den Nachbarn gemeinsam gepflückt wurde. Dabei wurde gespielt, gescherzt und gesungen, und manch zartes Band wand sich durch die Hopfenseile. Es umwehte diese Winterabende eine ähnliche Poesie, wie wir sie andernorts aus den Spinnstuben kennen, und die hier wie dort nun schon ganz dem modernen Zeitgeist zum Opfer gefallen sind. Daß mit den fallenden Hopfenstangen, die noch vor 50 Jahren die Häuser wie in einer hohen, grünen Flut begruben, auch eine wesentliche gemeinschaftsbindende Kraft zusammengefallen ist, empfinden die letzten Zeugen aus jener Zeit besonders stark. Ebenso aber bedauern sie auch, daß durch den Fall der Hopfenwälder die drei Orte St. Thomas, Kyllburg und Malberg ihren stärksten landschaftlichen Reiz eingebüßt haben. Für viele Touristen und Kurgäste war es ein Anblick; denn weit und breit im Rheinlande wurde nur um St. Thomas und Kyllburg Hopfen gebaut; ein Beweis für das milde Klima dieser Landschaft.

Nun ist die ganze Herrlichkeit geschwunden. Dem aufmerksamen Naturfreund fällt lediglich noch auf, wie hoch und üppig bei Kyllburg und Umgebung Hecken, Zäune und Lauben von Hopfen überwuchert werden, und er wundert sich vielleicht, wie häufig, kraftvoll und schön der wilde Hopfen hier vorkommt. Es ist eben kein wilder Hopfen, sondern allmählich verwilderter, ehemals kultivierter Anbau, der Rest einer blühenden Hopfenkultur. Zugleich eine Erinnerung an die Zeit, als in allen größeren Orten der Eifel das kräftige, wohlbekömmliche, obergärige Bier in eigener Hausbrauerei hergestellt wurde, als heimische Gerste, in kleineren Mälzereien verarbeitet, zum Kyllburger Hopfen das nötige Malz lieferte. Vorbei! Die Zeiten haben sich geändert und die Menschen auch; denn sicher würde den heute so verwöhnten Gaumen das kräftig-bittere Bier kaum noch munden.

Die Chronikblätter sind reich an Notizen über den Hopfenbau im Kyllburger Land. Es ist anzunehmen, daß es die üblichen Kulturbringer und Kulturträger des Mittelalters waren, die den Hopfen ins Tal der Kyll brachten. Die Zeit ist nicht genau feststellbar. Aber wie die Bücher des Klosters zu Freising schon im 9. Jahrhundert den Hopfenbau des Klosters erwähnen, und wie die Äbtissin St. Hildegard zu Ruppertsburg am Rhein schreibt, daß mit Hopfenzusatz im 11. Jahrhundert begonnen wurde, so ist es wahrscheinlich, daß auch im Kylltal der Hopfenbau durch einen der gelehrten Stiftsherren oder einen welterfahrenen Scholastiker des Kyllburger Stiftes, oder gar durch eine praktische Äbtissin des adligen Frauenklosters in St. Thomas eingeführt wurde. Nachweisbar wurde jedenfalls schon vor 300 Jahren Hopfen hier im Kylltal gezogen. Die Klosterakten von St. Thomas geben dann genauen Aufschluß für die Zeit von 1844 bis zum Einstellen des Anbaues. Bevor der bischöfliche Stuhl zu Trier das Haus übernahm (1853), hatte die Regierung das Haus in Besitz und das Klosterland in einzelnen Parzellen verpachtet, wobei die Pächter verpflichtet wurden, die Hopfenanlagen zu pflegen und zu nutzen. Pächter war zumeist ein Herr Schweitzer aus Kyllburg, der auch die Klosterräume zum Trocknen des Hopfens mietete. 1850 erscheinen in den Pachtverträgen 175+1037+ 322 Hopfenstangen im Klosterland. Die Ortschronik erwähnt für diese Zeit für die übrigen Dorfbewohner etwa 800 Stangen. Der durchschnittliche Jahresertrag wird mit insgesamt 50 Zentner angegeben.

Diese Zahlen werden für uns sehr aufschlußreich, wenn wir uns das Landschaftsbild vergegenwärtigen. Stellen wir uns in St. Thomas oberhalb der Klostermauer, in den Hausgärten und nächsten Feldern rund 2500 zirka 7 – 9,50 m hohe hopfenumrankte Stangen vor, die mit ihrer Vielzahl das ganze Dorf einhüllten, dann dürften wir ein zutreffendes Bild für die Zeit vor 50 Jahren entworfen haben.

Amtliche Aufzeichnungen sprechen für das gesamte Kyllburger Gebiet von einem Durchschnittsertrag von 700 Ltr. pro Jahr. Rund 30 000 Hopfenstangen wurden dazu benötigt. Wir erkennen, wie auch das Panorama von Kyllburg und Malberg sich ganz anders dargeboten haben muß (zirka 27 500 Stangen um beide Orte). Beim Anbau beschränkte man sich im wesentlichen auf gleiche Sorten. So werden immer wieder der Schwetzinger Mittelgebirgshopfen und der „Spalter“ genannt, Ableger also, die aber in ihrer Güte den Originalgewächsen wenig nachstanden und gute Preise erzielten.

Absatzgebiete waren hauptsächlich die Hopfenmärkte in Prüm, Bitburg, Trier und Frankfurt am Main; später kam Münster in Westfalen dazu (1866). Die Großfirmen Schwab und Weil u. Söhne in Speyer kauften seit 1870 an Ort und Stelle ohne Marktvermittlung.

Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ergibt die Durchschnittspreisberechnung 1 Taler pro kg. Wir müssen diesen Mittelwert zugrunde legen, weil der Hopfenpreis auch damals als sehr schwankend angegeben wird (zw. ½ Taler – 1 Taler 15 Groschen pro kg). Daraus errechnen sich folgende Hopfeneinnahmen: Im ganzen Kyllburger Gebiet 700 Ztr. = 35000 Taler pro Jahr; in St. Thomas 50 Ztr. = 2500 Taler pro Jahr.

Wenn wir dem gegenüberstellen, mit welch geringen Löhnen die Leute abgefunden wurden, wie bescheiden sie in ihren Lebensansprüchen waren, dann erkennen wir den großen Wert des Geldes in jener Zeit und verstehen, daß die hohe Wirtschaftlichkeit des Hopfenanbaues immer wieder in den alten Akten betont wird. Wir lesen, daß Erwachsene für eine Abendarbeit beim Hopfenpflücken (20 bis 24 Uhr) im Dienste des Klosters 2 – 2½ Pfennig pro Pfund erhielten. In der Nachbarschaftshilfe wurde natürlich nichts gezahlt. Kinder, die vor allem mithalfen, den gepflückten „Haob“ in den großen Tüchern zu verstauen und versandfertig zu machen und auch beim Pflücken gute Dienste leisteten, erhielten ½ Pfennig pro Pfund, ganz fleißige wohl etwas mehr.“

In den 60er Jahren sanken die Preise ganz erheblich. Wir lesen von 7 – 6 – 5 Groschen pro kg, und als 1867 der Zentner nur noch 10 Silbergroschen einbrachte, kam der Anbau fast völlig zum Erliegen. Die Chronikberichte wechseln entsprechend zwischen „goldenen Jahren“ und „Zeiten, da die Quelle des Wohlstandes zu versiechen scheint, da es sich wirklich der Mühe nicht mehr lohnt, Hopfen zu pflanzen.“

Aus dem Jahre 1870 ist überliefert, daß die Krise überwunden scheint. Zur gleichen Zeit wußte Bischof Matth. Eberhard durch Anregungen den Anbau wesentlich zu fördern. Die Preise kletterten, die Hopfenfelder vergrößerten sich; die Bewohner faßten neuen Mut. 1874 kaufte die Firma Weil u. Söhne aus Speyer 642 Pfd. für 513 Taler. 1877 erntete das Kloster in St. Thomas 35 Ztr. Hopfen, der „gut verkauft wurde“. Die Familien des Dorfes leisteten die Pflückarbeit. Vergegenwärtigen wir uns die Arbeitslöhne um 1877. Da steht:

 

Familie Weinand pflückt 902,5 Pfd / für Arbeit gezahlt = 22,56 Mk.
Familie Grewenich 465,5 Pfd. / für Arbeit gezahlt = 11,62 Mk.
Familie Schäfer 473 Pfd. / für Arbeit gezahlt = 11,83 Mk.

Die Blüte war von kurzer Dauer. Bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann für die Hopfenbauern von St. Thomas, Kyllburg und Malberg eine neue schwere Zeit. Von 1880 – 1890 senkten sich die Preise von 150 Mk. pro Ztr. auf 30 Mk. Man wollte es aufgeben, da die schwierige und zeitraubende Arbeit keinen gerechten Lohn mehr fand. Man hatte kaum noch Geld, die notwendige Düngung durchzuführen; die hohen Hopfenstangen wurden immer teurer. Eine Eintragung aus dem Jahre 1896 schildert uns die ganze Not: „Nun gibt es nur noch 15 Pfg. für das Pfund. Die Mühe der Bauern lohnt sich schlechter als die Reisen der Hopfenhändler. Wenn der Preis des marktfähigen Hopfens unter 1,20 Mark pro Pfund sinkt, ist der Anbau unrentabel. Wie soll es weitergehen?“

Es spricht für die Zähigkeit unserer Eifelleute, daß sie es doch dann nicht aufgegeben hatten. Und es ist, als hätte ihr Wille die Verhältnisse noch einmal gezwungen. Es sollte noch einmal aufwärts gehen. Für das Jahr 1904 wird ein Preis von 1,50 Mark pro Pfund angegeben, und ein Jahr später geht das Kloster in mutiger Initiative voran und setzt 1655 neue Hopfenstangen. Das Dorf folgt dem Beispiel.

Das sollte der letzte Einsatz im Kampf um die Existenz auf der Grundlage des Hopfenbaues gewesen sein. Bereits 1908 lesen wir: „Alljährlich werden Hopfenstöcke ausgegraben, da der Preis zu sehr gesunken ist und die Leute das Land in anderer Weise. besser verwerten können.“ 1910 wurde der Hopfenbau vollständig eingestellt. Der jungen Generation boten sich andere, wirtschaftlich günstigere Arbeitsmöglichkeiten bei der Eisenbahn, in den Steinbrüchen und in den großen Waldkulturen. Den älteren Bürgern von St. Thomas, Kyllburg und Malberg aber starb mehr als eine wichtige Existenzgrundlage. Der Niedergang einer gewohnten Lebensordnung traf sie schwer und tief. Fast wehmütig berührten uns die Gedanken, die der Chronist in einem letzten Bericht zusammenfaßte, und denen wir nachsinnen sollten. „… so werden sich die Kurgäste wahrscheinlich nicht mehr lange über die üppigen Bohnenfelder wundern… unsere Dörfer liegen entblößt … die Abende werden lang…“

Heute erinnern an den Hopfenbau nur noch die vielen verwilderten Stockausschläge und noch für lange Jahre die þ typischen Althäuser, die unter dem Dachgesims breite, ganz niedrige Fensteröffnungen zeigen. Durch diese konnte die Luft kräftig über den Darren auf dem Trockenboden zirkulieren; denn nur ganz trockener Hopfen war marktreif und hielt sich ein Jahr gebrauchsfähig.

Die älteren Leute aber erzählen heute noch gerne vom „Haob“ und von den gemütlichen Abenden, an denen der „Haob“ in der Stube von den Nachbarn gemeinsam gepflückt wurde. Dabei wurde gespielt, gescherzt und gesungen, und manch zartes Band wand sich durch die Hopfenseile.

 

Anm. d. Red.:
Der Hopfenanbau war im Kreisgebiet allgemein. 1860 wurden in zehn Brauereien 3729 Tonnen Bier hergestellt, 1861 waren es 3185 Tonnen. An den Hopfenanbau bei Bitburg erinnert noch heute der Flurname „An d’n Haopstaange“.
Zur Zeit sind in Holsthum wieder die Anfänge des Hopfenanbaues zu erkennen. Möge der Neuanlage die Ernte der Vergangenheit beschieden sein,

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