Kirche Pfarrarchiv

Der Annenaltar der Stiftskirche von Steinmetz Adam Donner

Detail Annenaltar von Adam Donner in der Kyllburger Stiftskirche
Jahr: 1989
Quelle: Pfarrarchiv Faltblatt
Autor: Hermann Hellinghausen

HOC ALTARE AD MAJOREM DEI GLORIAM AC IN HONOREM SCTSS ANNAE MATRIS B VIRGINIS MORTIS MEMOR VIVENS FIERI CURAVIT REVEREND AC DEVOTUS DOMINUS JOHANNES CARL KILBURGENSIS CANONICUS ET CANTOR HUIUS ECCLESIAE ANNO 1629 DIE 26 MENSIS FEBRUARY

Zu deutsch:
Diesen Altar zur größeren Verherrlichung Gottes und zu Ehren der hl. Anna, Mutter der seligen Jungfrau, ließ der hochwürdige und demütige Herr Johannes Carl, Kyllburger Kanoniker und Kantor dieser Kirche, zu Lebzeiten – eingedenk seines Todes – im Jahre 1629 am 26. Februar anfertigen.

Der Stifter Zu Füßen der Mutter Gottes kniet der Stifter Johannes Carl, Kanoniker und Kantor des Stiftes Kyllburg. Es interessiert uns, wer dieser Stifter sein könnte. Aus dem Bistumsarchiv erhielt ich einen Hinweis zu dem Namen Johannes Carl. Er ist vielleicht ein Sohn (oder Verwandter) der Eheleute Johann Carls, gestorben vor 1590, und Anna Bernardi, gestorben am 4.5.1630. Sein Vater wäre dann Kellner und Schultheiß in Kyllburg gewesen. Der Grabstein der Eheleute Carls-Bernardi ist im Kreuzgang. Auf ihm ist eine Traube zu erkennen, die eine Beziehung zu der Traube auf dem Annenaltar haben könnte.

Etwas ganz wichtiges von Johannes Carl kennen wir ganz genau: Seinen Wahlspruch:

EXPECTANS EXPECTAVI DOMINUM

Zu deutsch: In großer Erwartung habe ich Ausschau gehalten nach dem Herrn.

Geschichte des Annenaltares

Als Dr. Franz Bock in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sein Buch über die Stiftskirche schrieb, stand der Annenaltar vor der damals zugemauerten Kreuzgangtüre zwischen Chorgestühl und Kanzel. Bock hat den Altar eingehend untersucht. Er fand auf der Rückwand des Altaraufbaues kleine gemalte Heiligenfiguren, die den Stilformen nach aus dem 14.Jahrhundert stammen. Er zog damals den Schluß, daß im Annenaltar Elemente des mittelalterlichen Hochaltares der Stiftskirche enthalten sind. Wörtlich: “Wie nun, wenn in diesem seither wenig beachteten Altarbau der Kern und die Grundform des ursprünglichen Hochaltares der Kyllburger Stiftskirche zu suchen und nur der äußere Aufbau im 16. Jahrhundert in den Formen des neu aufgenommenen wälschen Stils umgeändert worden wäre?”

Im Jahre 1926 wurde der Annenaltar an die Nordwand der Stiftskirche gestellt, der Kreuzgangtüre genau gegenüber. Hier ist er ein großartiger Blickfang für alle, die vom Kreuzgang kommend die Stiftskirche betreten. Bei diesem Umstellen wurden zugleich Ausbesserungsarbeiten durchgeführt. Die Renovierung bestand in Ergänzung mancher Teile (das Jesuskind war abhanden gekommen, bei Figuren fehlten Hände oder Symbole und der ganze Unterbau mußte erneuert werden). Da für eine Farbfassung damals die Restaurateure fehlten, wurde der Altaraufbau mit grauer Ölfarbe einheitlich überstrichen.

Schade ist, daß damals die gemalten Figuren auf der Rückwand des Altares nicht eingehend untersucht wurden. Die Renovierung wurde auf dem Antipendium des Altares verewigt. Die Inschrift lautet:

ST.ANNA MEMORARE PIE MATRUM PAROCHIAE KYLLBURG HOC ALTARE TIBI 1629 DEDICATUM RENOVATUM A.1926

zu deutsch: HEILIGE ANNA, GEDENKE GNÄDIG DER MUTTER DER PFARREI KYLLBURG DIESER ALTAR WURDE DIR 1629 GEWEIHT; RENOVIERT IM JAHRE 1926

Die Renovierung des Altares 1989 ist eine echte Restaurierung, das heißt, die ursprünglichen Farben des Altares wurden wieder hergestellt. Unter der Ölfarbe von 1926 ließen sich 4 Farbschichten nachweisen. Jetzt erstrahlt der Annenaltar wieder wie vor Jahrhunderten in seiner ursprünglichen Farbigkeit. Darstellungen des Altares Der Stifter widmete den Altar zu “größeren Verherrlichung Gottes und zu Ehren der hl. Anna, der Mutter der seligen Jungfrau”. Beginnen wir mit der ersten Aussage: “Zur größeren Verherrlichung Gottes”. Nach diesen Worten ist der Altar ein Dreifaltigkeitsaltar. In der Mitte des Altarbildes steht das Jesuskind, das seine Hände segnend über die Beter und Betrachter ausstreckt.

Darüber ist die Taube, das Symbol des hl. Geistes. Der Geist des Herrn ruht auf Jesus. Er hat ihn gesandt, den Armen eine frohe Botschaft zu verkünden. In der Bekrönung des Altares ist Gott Vater inmitten von Wolken dargestellt. Er trägt die Erdkugel in der Hand, ein Zeichen, das er alles in Händen hält. Der Altar ist in der Horizontalen ein Anna Selbdrittaltar. Neben Jesus sitzt links seine Mutter Maria, rechts seine Großmutter Anna. Es sind die drei Generationen angedeutet, die früher in jedem Haus unter einem Dach beisammen wohnten. Anna Selbdrittdarstellungen waren im Spätmittelalter und dann wieder im 17. Jahrhundert sehr beliebt, durch diese Bilder sollte die Mütterlichkeit der Frauen hervorgehoben werden. (Der Darstellung der stillenden Madonna in der Turmkapelle liegt dieselbe Überlegung zugrunde). Der Altar ist ein Familienaltar. In den Seitennischen außerhalb der Säulen stehen vermutlich der Vater und die Mutter des Stifters. Über ihnen sind Familienwappen oder auch Herkunftszeichen der Familie, Fisch und Traube.

Die Eltern hatten 8 Kinder. Drei Töchter und vier Söhne knien jeweils unter den Seitennischen ausgerichtet auf Jesus. Der fünfte Sohn, der Stifter Johannes Carl, kniet ganz nahe vor Jesus. Maria legt ihm die rechte Hand auf die Schulter und empfiehlt ihn ihrem Sohn.

So zeigt der “Annenaltar” eine dreifache Gemeinschaft:

von Vater, Sohn und Hl. Geist;
von Großmutter, Mutter und Kind;
von Gatte, Gattin und Kindern.

Zeit der Entstehung

Der Annenaltar wurde mitten im dreißigjährigem Krieg gestiftet und gefertigt. Es war der schlimmste aller Kriege in unserem Land. Jeder zweite Bürger starb durch Krieg Hunger und Pest. Die leidvolle Not der Zeit erscheint mir in den Symbolen der beiden Engel durchzuscheinen: Sie tragen das Kreuz und den Kelch. Die damaligen Menschen mußten reichlich aus dem Leidenskelch trinken und ein besonders schweres Kreuz tragen. Keiner blieb verschont. Da konnte niemand mehr auf Besitz vertrauen, wenig auf Menschen. Als fester Halt blieb nur Gott. Er war und ist der Fels des Heiles. Aus der Not der Zeit verstehe ich auch das Motto des Stifters, das er rückschauend auf sein Leben spricht: In großer Erwartung habe ich Ausschau gehalten nach den Herrn! Darum, weil er in den Wirren der Zeit nach dem Herrn ausschaute und auf ihn vertraute, konnte er sich von seinem Besitz lösen und diesen schönen Altar stiften.

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